Es ist eines der größten saisonalen Essvergnügen, das Deutschland zu bieten hat. Von Ende April bis Ende Juni wird in Deutschland weißer Spargel gestochen. Die Anbaufläche wächst von Jahr zu Jahr und längst kann man vor einer Art agroindustrieller Massenproduktion sprechen. Der leckere Frühlingsbote wird mittlerweile von rund 2200 Erzeugern auf über 22.000 Hektar angebaut, wobei die endlosen Reihen mit grauer Folie abgedeckter Spargelzeilen nicht gerade eine Augenweise sind.
Früher galt Spargel als eher exklusiver Genuss. Unter der Nazi-Herrschaft war sein Anbau weitgehend verboten, da er nicht der Sicherstellung der „Volksernährung“ diente. Auch in der DDR, die über mehrere, heute wieder wichtige Anbaugebiete verfügte, führte Spargel eher ein Schattendasein. Die relativ geringe Erntemenge ging hauptsächlich in den Export nach Westdeutschland. Wenn man damals Freunden und Verwandten in der DDR eine große Freude machen wollte, brachte man ihnen im Frühsommer bei Besuchen was von „ihrem“ Beelitzer Spargel mit.
Doch die enorme Ausweitung der Anbaufläche in den vergangenen 20 Jahren und rationellere Anbau- und Erntemethoden haben dafür gesorgt, dass der Genuss des Edelgemüses kaum noch am Geldbeutel scheitert. Und so futtern wir in Deutschland Spargel, als ob es kein Morgen gibt: Fast zwei Milliarden Stangen pro Jahr. Und das nicht nur aus heimischer Produktion, denn Importe aus Griechenland und zunehmend auch aus Peru (sic!) sorgen dafür, dass die eigentlich auf 8-9 Wochen (je nach Wetter) begrenzte heimische Spargelsaison auf 365 Tage im Jahr ausgeweitet wurde. Es lebe die Globalisierung. Oder auch nicht.
In Deutschland sorgt die Verbreitung optimierter holländischer Hybridsorten wie Avalim, Gijnlim, Herkulin, und Backlim für höhere Erträge auch bei misslichen Wetterverhältnissen. Natürlich geht das auch auf Kosten des Geschmacks. Denn den neuen Sorten wurde – dem allgemeinen Trend bei Gemüse folgend – auch einiges an Bitterstoffen herausgezüchtet. Freilandspargel und alte Kultursorten sind fast so etwas wie Raritäten geworden, aber die Suche nach ihnen lohnt sich, denn sie bieten schlicht mehr Aroma . Doch der Verbraucher freut sich über die stets schönen, geraden Stangen mit fest geschlossenen weißen Köpfen und kaum holzigen Stellen, die noch dazu leicht zu schälen sind. Außerdem ist „konventioneller“ Spargel durch diese Art der Produktion auch ausgesprochen billig – was in Deutschland leider das zentrale Kriterium beim Lebens- und Genussmittelkauf ist.
Die Debatten über die Zubereitung und Darreichung des Edelgemüse haben mittlerweile die Dimension eines veritablen Religionskrieges angenommen. Einigkeit herrscht allerdings weitgehend bei der Fragen nach dem angemessenen Begleiter. Man sollte sich auf die Suche nach einem passenden Weißwein machen. Bei der puristischen Variante (also nur Pellkartoffeln und zerlassene gebräunte Butter dazu) sollte er richtig trocken sein, über merkliche, aber gut eingebundene Säure verfügen, mineralisch bis hin zu leicht steinig am Gaumen kitzeln und vor allem über wenig ausgeprägte Fruchtaromen verfügen. Auch ein moderater Alkoholgehalt steht dem optimalen Spargelbegleiter ausgesprochen gut, sonst könnte er das Gemüse (und auch die Kartoffeln) regelrecht erschlagen.
Nach dieser Beschreibung macht es eigentlich ziemlich schnell „Klick“. Fränkischer Silvaner erfüllt diese Kriterien nahezu optimal. Natürlich nicht jeder, denn auch in Franken meinen viele Winzer, ihrem Silvaner mit den gängigen Vergärungs- und Kellertricks allerlei Aromen hinzuzaubern zu müssen. Einer der führenden Silvaner-Winzer Frankens, Ulrich Luckert vom Weingut Zehnthof hat diese Einstellung mal auf den Punkt gebracht: „Frucht ist Kitsch. Frucht kann jeder“. Er will, dass sein Silvaner nach dem Boden schmeckt, auf dem er wuchs. In Franken heißt das vor allem Muschelkalk, Buntsandstein oder Keuper.
Es gilt also Jahr für Jahr, den „Spargelkönig“ zu küren. Ein paar Berliner Spargel- und Silvanerfreunde widmen sich mit Hingabe dieser verantwortungsvollen Aufgabe. Zunächst werden bereits renommierte, aber auch ziemlich unbekannte fränkische Güter mit der Bitte um einige Testflaschen angeschrieben. Wie erwähnt mit knallharten Kriterien: Aktueller Jahrgang, maximal 4 Gramm Restzucker, maximal 12,5% Alkohol. 42 Proben haben wir diesmal bekommen. Das Niveau war allgemein höher als im Vorjahr, wo es jahrgangsbedingt deutlich weniger gute Weine mit moderatem Alkoholgehalt gab. In mehreren Vorrunden wurden die Proben ab Ende April getestet, immer zu Spargel pur, mit Kartoffeln und zerlassener Butter. Dabei wurden die Finalisten ermittelt, aus denen dann am 5.Mai der Spargelkönig ermittelt wurde. Natürlich in Form einer Blindverkostung mit Spargel und Kartoffeln satt. Aber nix mit Punkten, Aromaprofilen und tiefschürfenden Analysen zum Charakter des Weins. Auch deswegen waren bei den Verkostungen eben nicht nur Profis und Weinnerds dabei, sondern vor allem weinaffine Spargelfreunde. Es ging um eine einzige, knallharte Frage: Welcher Wein passt hier und heute am besten zum Spargel. Und noch ein brutales Prinzip: The Winner takes it all. Zwar haben wir vorher die 5 Finalisten bekannt gegeben, doch nach der Verkostung wird ausschließlich der „Spargelkönig“ nach außen kommuniziert.
Es ist der der Silvaner „Terra“ vom Weingut Giegerich in Großwallstadt. Gewachsen auf Buntsandstein, im Edelstahl vergoren und bis zur Abfüllung auf der Hefe gelagert. Trocken, mineralisch, stabile Säure, verhaltene Aromatik. Silvaner pur sozusagen. Ein unspektakulärer Wein, der in gängigen Verkostungen wohl kaum einen vorderen Platz belegt hätte. Der aber mit seiner gradlinigen Art im Spargel-Finale auch die „hochwohlgeborene“ Konkurrenz mit den stolzen VDP-Adlern auf dem Flaschenhals deutlich auf die Plätze verwies.
Die Spargelsaison geht noch bis Ende Juni. Also genug Zeit , mal zu testen, ob der „Terra“ ein würdiger Spargelkönig ist.
Den Silvaner „Terra“ 2016 gibt es für 8,80 Euro ab Hof