Es ist immer wieder ein Erlebnis. Wer sich in Berlin aus der Innenstadt in Richtung Nordosten oder Osten bewegt, taucht schon nach wenigen Kilometern in eine merkwürdige und äußerst unwirtlich erscheinende Welt ein. Und das nicht nur, wenn man sich an die Orte grotesker stadtplanerischer Verbrechen wie Marzahn, Hellersdorf und Hohenschönhausen begibt. Auch der Großbezirk Pankow, zu dem ja immerhin die einst ultrahippe Schwabenkolonie Prenzlauer Berg gehört, hat finstere Ecken zu bieten, die den urbanen Citoyen erschauern lassen.
Meine berufliche Tätigkeit beinhaltet auch Einsätze als rasender Reporter, und so führte mich der Weg am Mittwoch abend in das Herz von Pankow-Heinersdorf. Dort befindet sich eine Kirche, in der der Berliner Senat den örtlichen besorgten Bürgern die Pläne für ein neues Stadtquartier mit 6.000 Wohnungen vorstellen wollte. Doch dazu später.
Normalerweise erledige ich solche Wege (von meiner Wohnung aus werden es ca 7-8 Kilometer sein ) mit dem Fahrrad. Doch die fiese Kälte (natürlich ein Hochdruckgebiet aus dem Osten – Danke Putin!) und der schneidende Wind ließen mich davon Abstand nehmen. Also Bus und Straßenbahn. Hurtig brettert die M2 vom Alexanderplatz schnurgrade über die Prenzlauer Chausse Richtung DunkelPankow. Kurz nach dem S-Bahn-Ring heißt diese Magistrale – Erich Honeckers alte Protokollstrecke nach Wandlitz – dann Prenzlauer Promenade. Was irgendwie lustig ist, denn zum Promenieren lädt diese Ansammlung hässlicher Wohn- und Gewerbebauten links und rechts der Straße nun wirklich nicht ein. Doch wenigstens ist es hier noch hell. Das ändert sich schlagartig, wenn die M2 nach rechts abbiegt. Man durchquert ein Reich der Finsternis, mit trüben Straßenfunzeln und auf Kopfsteinpflaster daher rumpelnden Autos.
Spätestens ab der Haltestelle „Am Steinberg“ beginnt dann eine neue Stufe der zivilisatorischen Regression. Die Straßenbahn fährt nur noch eingleisig und hält von nun an mitten auf der Straße. Wer beim Aussteigen lebend den rettenden Bürgersteig erreichen will, ist auf das Wohlwollen der meist mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Finsternis fahrenden Autos angewiesen, beim Einsteigen ist es ähnlich.
Der kurze Fußweg auf schadhaften Gehwegen zum Veranstaltungsort trägt auch nicht zur Stimmungsaufhellung bei. Man kann erahnen, dass sich in den stockdunklen Häusern ein paar Geschäfte befinden, doch es ist kurz vor 19 Uhr, und alles ist hier geschlossen. Bis auf ein paar obskure Gaststätten, die sich mit ihrer schmutzig in die Nacht schimmernden Funzelbeleuchtung dem Gesamtensemble anpassen.
In der Kirche drängen sich rund 400 besorgte Bürger, die dem Neubauprojekt mit einiger Skepsis begegnen. Hier und da ein paar nachvollziehbare Argumente, vor allem die Verkehrsanbindung Nord-Pankows betreffend. Aber natürlich auch die obligatorischen „Kaltluftschneisen“, der „Erholungswert“, die „gewachsenen Strukturen“, die man bewahren will. Sie werden von den Profis der Kommunikationsagentur, die der Senat engagiert hat, mit „Dialogangeboten“ zugeschüttet und die offiziellen Vertreter singen nahezu schleimig das Lied von der großen Wertschätzuing der „engagierten Bürger“. Es ist eine elende Scharade, denn in Wirklichkeit will auf der einen Seite der Senat (vollkommen zu Recht) sein Neubau- und Infrastrukturprojekt durchziehen und auf der anderen Seite wollen viele Anrainer schlicht, dass alles so bleibt wie es ist. Immerhin: Kein rechtpopulistisches Gedöns, nur ein Diskutant mümmelte weitgehend unbeachtet irgendwas von Flüchtlingsunterkünften, die hier ja auch gebaut werden. Alles recht friedlich, doch die eigentlich Bauplanungen beginnen ja erst in einem Jahr.
Zurück in die Finsternis. Die Straßenbahn verlasse ich diesmal bereits am S-Bahnhof Prenzlauer Allee, da ich das dringende Bedürfnis verspürte, im dortigen Späti ein Bier zu erstehen. Denn DunkelPankow schlägt echt aufs Gemüt