Ein letzter prüfender Blick vor dem Gang in die Fischabteilung. Hat mich wirklich niemand verfolgt? Es scheint geklappt zu haben. Schließlich bin ich auch kreuz und quer durch die Stadt gefahren, um die Häscher abzulenken. Die Sonnenbrille wirkt im trüben Winter zwar etwas deplatziert, sollte aber doch vor zufälliger Enttarnung schützen.
Am Fischstand ist nichts Verdächtiges zu bemerken. Versonnen betrachte ich die verführerischen Auslagen und schreite entschlossen zur Tat: Leise, aber bestimmt übermittele ich dem Verkäufer meine Wünsche: Zander, Steinbeißer, und Makrele. Schnell verstaue ich die heiße Ware in einer neutralen Papiertüte und mache mich auf den Weg zur Kasse. Auch dort scheint alles ruhig zu sein.
Routiniert und teilnahmslos scannt die Kassiererin meine Ware, die ich schleunigst in meiner Fahrradtasche verstaue. Erneut wähle ich beträchtliche Umwege, doch schließlich ist es geschafft. Die Haustür fällt hinter mir ins Schloss, und beschwingt nehme ich die Treppen zu meiner Wohnung in Angriff.
Doch es hat alles nicht genützt. Mitten im Hausflur stehen zwei Herren und zücken ihre Ausweise. In schnarrendem Ton fahren sie mich an: „Greenpeace, Abteilung Fischpolizei. Bitte leeren sie den Inhalt ihrer Tasche“. Mit kaltem Blick mustern die Schergen die beiden Filets und die Makrele: „Sie wollen doch nicht ernsthaft behaupten, dass es sich bei diesen Fischwaren um Wels oder Karpfen handelt“. Natürlich nicht, ich hasse diese beiden meist mumpfigen Schlammfischarten.
Peinlich berührt schaue ich zu Boden. Ausflüchte sind zwecklos. Vor einigen Wochen hat die Greenpeace-Fischpolizei verfügt, dass nur noch Wels und Karpfen bedenkenlos erworben werden dürfen. Bei einigen anderen Arten wird der Kauf an strenge Auflagen in Bezug auf Fangmethoden und Herkunft geknüpft. Aber Zander, Steinbeisser und Makrele sind ab sofort komplett verboten. Denn die sind entweder von Überfischung und somit Ausrottung der Bestände bedroht oder verursachen durch die gängigen Fangmethoden große Mengen Beifang. Das heißt, diverses wertvolles Meeresgetier muss dran glauben, damit die Trawler die entsprechenden Mengen des jeweils gesuchten Speisefisches anlanden können. Umweltschützer und Meeresbiologen warnen schon lange vor den Folgen dieses Raubbaus, doch die mächtige Fischfang-Lobby hat alle Initiativen für strengere Fangquoten und das Verbot bestimmter Fangmethoden abgebügelt.
So weit, so gut. Aber ich lasse mich nicht zum Sündenbock für die Untaten der kapitalistischen Fischfangmafia machen. Von mir aus kann Greenpeace den Umweltgangstern zu Wasser und zu Lande die Hölle heiß machen, die Netze zerschneiden, die Schiffsmotoren sabotieren und die verantwortlichen Politiker mit abgestandenem Lebertran übergießen. Von mir aus lass ich das mit der Makrele und notfalls auch mit dem Steinbeißer, denn beides ist ja ohnehin nicht eben regional. ABER FINGER WEG VON MEINEM ZANDER!!! Der schwimmt schon seit Unzeiten nicht nur in küstennahen Teilen der Ostsee, wo ihm möglicherweise übel mitgespielt wird, sondern auch in unzähligen Binnenseen in der näheren und etwas weiteren Umgebung von Berlin und anderswo.
Und überhaupt: Liebe Greenpeacler, ihr macht eine wichtige und verdienstvolle Arbeit. Und oft genug habe ich eure Anliegen auch publizistisch unterstützt. Das werde ich auch weiter tun. Doch eure manchmal praktizierte Mischung aus apokalyptischen Prophezeiungen und strengem moralischen Zeigefinger geht mir mitunter gewaltig auf den Zeiger.
Ich werde also weiterhin Zander essen. Vielleicht sollte ich verstärkt auf seine Herkunft achten. Vielleicht bin ich jetzt ja auch ein Komplize der Umweltverbrecher oder sonst irgendwie ein schlechter Mensch. Aber wenn, dann wenigstens einer der weiß, wie man ein Zanderfilet köstlich zubereitet.
Ich bin sehr für einen schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen, aber den Fischeinkaufsführer von Greenpeace halte ich größtenteils für ausgemachten Bullshit. Hand aufs Herz, Rainer – selbst Du, als ausgemachter Fischliebhaber: Wie oft isst Du Zander? Einmal pro Woche? Ich vermute, eher vier, fünf mal im Jahr. Und damit dürftest Du schon weit vorn liegen. Mag sein, dass den Zanderbeständen eine gewisse Erholung gut tun würde. Aber ich kann nicht glauben, dass wir diesem Ziel merklich näher kommen, wenn Du nur noch zweimal und ich nur noch einmal im Jahr Zander essen. Im Übrigen habe ich ein gewisses Grundvertrauen zu unseren heimischen Havelfischern, die ihr Handwerk seit Generationen betreiben und das sicher auch weiter so halten wollen.
http://www.fischerhofpotsdam.de/aktuelles.html
http://www.havelfischer.de/
Tja, Kollege Balcerowiak, jetzt siehst Du mal wie das ist. Erst jahrelang den Öko-Genießer raushängen lassen und kräftig gegen alle möglichen Sünder und Dummbatze austeilen – und auf einmal den Fischfrevler-Spiegel vorgehalten bekommen.
Aber mal im Ernst: So ganz kapiere ich die Sache mit dem Zander auch nicht. Gerade in Brandenburg und Mecklenburg arbeiten viele Fischereipächter mit Besatz und kalkulieren die Zanderausbeute ziemlich genau. Die wären ja auch bescheuert, wenn sie das nicht machen würden.
Ansonsten wärer es wohl mal an der Zeit, eine Lanze für wenig beachtete, aber dennoch äußerst wohlschmeckende heimische Speisefische wie Schleie und Plötzen zu brechen
Danke! Ihr seid alle so gut zu mir. Und ich dachte schon, dass ich jetzt nicht nur bei der “jungen Welt”, sondern auch noch in ganz anderen Kreisen der Ächtung anheimfalle
Irgendwie hat Greenpeace schon recht und irgendwie auch nicht. Wenn es Greenpeace ernst meine würde, wären sie auf jeder antikapitalistischen Demo zu finden. Sind sie aber nie.
So geht halt alles seinen kapitalistischen Gang. Schnell rein in die Krise und ganz langsam, aber mit Kollateralschäden wieder raus. Wie in der bisher größten kanadischen Wirtschaftskrise. Die welche war? Der Cod Collapse 1992, als plötzlich kein Kabeljau mehr in die Netze schwimmen wollte. Oder besser gesagt als die Wahrscheinlichkeit gegen Null sank mit den drei im Netz verirrten Exemplaren den Fischflottenunterhalt samt Personalkosten zu decken, vom Profit ganz abgesehen. So gab es dann eben 10 Jahre Massenarbeitslosigkeit an der kanadischen Ostküste, bis die Kabeljaubestände wieder Fischflotten-taugliches Niveau erreichten.
Aber was der Konsument mit Festlegung von Fangquoten zu tun haben soll entzieht sich meiner Erkenntnis. Wahrscheinlich legt in der marktkonformen Demokratie der Konsument auch die Fangquoten fest, das wird’s sein.
Größtenteils Zustimmung. Nur die Diffarmierung von Wels, die kann ich absolut nicht mittragen. Kenne Waller (so die lokale Bezeichnung) aus der Donau bzw. aus Altarmen der Donau, das ist absolut delikat. Da lasse ich vieles dafür stehen. Zander ist natürlich auch immer großartig. Guten Appetit!