Steuerhinterziehung ist Aufklärung

 Deutschland scheint von einer regelrechten Outing-Welle erfasst zu sein. Erst sorgte der Ex-Fußballprofi Thomas Hitzlsperger mit dem Bekenntnis zu seiner homosexuellen Orientierung für Furore, und jetzt sind eine sehr prominente Publizistin und ein etwas weniger prominenter Staatssekretär an der Reihe, wenn auch unfreiwillig..

 Zwar geht es bei Alice Schwarzer und André Schmitz nicht um Sex, aber um eine   ebenfalls persönliche Vorliebe, nämlich um die Gier nach noch mehr Geld. Beide haben das Gemeinwesen mittels Steuerhinterziehung vorsätzlich um fünf- bzw. sechsstellige Summen geprellt, wurden erwischt und kamen mit Hilfe des absurden Instruments der Selbstanzeige mit einem blauen Auge davon.

Geld stinkt nicht. Nicht einmal Schwarzgeld

 Von einem Politiker wie Schmitz erwartet man heutzutage eigentlich nichts Anderes. Aber Frau Schwarzer gilt immerhin als eine Art moralische Instanz in ihrem Eintreten für die Rechte von Frauen. Warum eigentlich?

Natürlich hat sich Alice Schwarzer historische Verdienste erworben, unvergessen die Kampagnen gegen das Abtreibungsverbot und gegen Pornografie. Aber ihr späteres Eintreten für gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Kriegseinsätzen der Bundeswehr, ihre demonstrative Nähe zu Angela Merkel und Großkapital-Damen wie Liz Mohn und Friede Springer sowie ihre Kumpanei mit dem sexistischen Schmutzblatt „BILD“ stehen für einen reaktionären, wirtschaftsliberalen und somit letztendlich asozialen Feminismus.

 Gerne ließ sie sich vom Staat alimentieren, kassierte zwischenzeitlich über 200.000 Euro Fördergeld pro Jahr für ihr – kaum der Öffentlichkeit zugängliches – feministisches Archiv in Köln und wetterte vehement gegen die Kürzung dieser Mittel – die sie den öffentlichen Kassen zuvor entzogen hatte.

 Jetzt wurde der Steuerbetrug bekannt: Prompt wähnt sich Frau Schwarzer als Opfer einer antifemistischen Kampagne und sieht sich in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die vielen Millionen marginalisierten, unterdrückten und ausgebeuteten Frauen in unserer Gesellschaft glaubwürdigere Vorkämpferinnen als eine selbstmitleidige Steuerbetrügerin verdient haben.

 Natürlich soll auch André Schmitz nicht unerwähnt bleiben. Der Kulturmanager gilt als Protegé des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, einflussreicher Strippenzieher in der Berliner SPD und bekleidet das Amt des Kulturstaatssekretärs in der Hauptstadt. Auch hier ein ein schönes Schizo-Spiel: Während er als Vertreter der Landesregierung den Kulturinstitionen der hoch verschuldeten Stadt die Sparorgien verklickerte, wuchs sein Privatvermögen dank Schweizer Schwarzgeldkonto stetig an.

 Man sollte sich sich weder über über Frau Schwarzer noch über Herrn Schmitz sonderlich aufregen. Im Gegenteil: Ihre jetzt bekannt gewordene Steuerbetrügerei hilft hoffentlich, dass asoziale Selbstverständnis eines nicht unbeträchtlichen Teils der deutschen „Eliten“ und des Mittelstandes ein bisschen kenntlicher zu machen. Und das ist gut so.

 Noch ein paar Marginalien von der Genussfront: Wie ich gehört habe, hielten es einige schwäbische Freunde meines Blogs für einen provokativen Scherz, dass es bei meinem Weihnachtsmenü Zebrakeule als Hauptgang gegeben haben soll. Jetzt passt mal gut auf, ihr Hinterwäldler: ES GAB ZEBRA!  Nur weil in euren Dörfern und Städtchen hauptsächlich Linsen und Spätzle vertilgt werden, muss das in der deutschen Metropole keineswegs genauso sein. Natürlich kann man hier Zebrakeule bekommen. Warum auch nicht;  schließlich können Millionen Massai nicht irren. Erwerben kann dieses leckere Wildpferdfleisch fast ganzjährig unter anderem in der „Geflügel-Oase“ in der Moabiter Markthalle. Lecker! Und zwar für  nur 19,90 Euro pro Kilo.

 Apropos Geld. Am Sonnabend gab’s bei mir zum Hirschmedaillon einen sagenhaften Spätburgunder, den 2011er „Pinot Noir“ vom pfälzischen Weingut Jülg. Elegant, filigran, perfekte Balance zwischen Säure, Frucht und Holz, nicht schwer, sondern animierend, langer sahniger Abgang. Der beste Spätburgunder, den ich seit langer Zeit getrunken habe. An den Gedanken, dass ein Wein pro Flasche 34 Euro kosten soll, kann ich mich dennoch nicht so richtig gewöhnen, weil eine nachvollziehbare Relation zu Herstellungs- und anderen Betriebskosten nicht zu erkennen ist. Großartig geschmeckt hat er dennoch..Aber wahrscheinlich eher ein Wein für erfolgreiche Steuerhinterzieher.

 

2 Gedanken zu “Steuerhinterziehung ist Aufklärung

  1. Ich hoffe, dass viele von den engagierten Menschen in Moabit, die Sie immer als “Lakeien der SPD” oder “simulierte Bürgerbeteiligung” beschimpfen. ihren Artikel lesen. Der “große Klassenkämpfer” sitzt zuhause, schwafelt über Steuerhinterziehung und trinkt dabei Weine für 34 Euro. Ich kenne jedenfalls wenig Moabiter, die sich solche Weine leisten können.

    • Langsam nerven Sie ein bisschen. Oder sind Sie einfach nur neidisch? Wie dem auch sei: Wer nicht genießen kann oder will, kann auch nicht in emanzipatorischem Sinn politisch agieren. Verstanden? Wahrscheinlich nicht.
      Manchmal hilft übrigends Lesen. Ich stelle den im Preis manifestierten “Wert” dieses Weines durchaus in Frage. Und was meinen “dekadenten Weinkonsum” betrifft: Ich schreibe als Publizist seit Jahren Bücher und Artikel über Wein und Genusskultur (sollten Sie sich dringend besorgen!!) und habe daher das Glück, Weine als Kostmuster zu bekommen.