Prostitution hat viele Gesichter. Das Bekannteste sind jene Frauen und Männer, die unter Zwang, aus materieller Not oder auch – sicherlich eine Minderheit – aus freien Stücken ihren Körper für sexuelle Dienstleistungen verkaufen. Andere verkaufen ihren Kopf und ihre Seele und werden dann nicht Prostituierte, sondern manchmal Journalisten genannt.
Diese Dienstleister sind gefragt. Sie bekommen viel Geld dafür, dass sie bestimmte Produkte anpreisen, ohne das der Leser merkt, dass es sich um bezahlte PR handelt. Man findet sie unter anderem im Reise-, Auto- und Weinjournalismus. Andere nehmen Geld dafür, die Politik bestimmter Institutionen zu bejubeln und Kritiker zu diffamieren.
Zu Letzteren gehört Ulrike Steglich. Ihren Auftraggebern stinkt es gewaltig, dass es in der gewählten Stadtteilvertretung des Sanierungsgebiets Turmstraße in Berlin-Moabit eine starke Gruppe gibt, die angetreten ist, die Rituale simulierter Bürgerbeteiligung zu ignorieren und sich dem Kernproblem des Bezirks zuzuwenden: Der in vollem Gang befindlichen Vertreibung einkommenschwächerer Mieter aus dem Kiez durch Spekulanten und Miethaie und der wohlwollenden Untätigkeit der Bezirkspolitiker in dieser Frage.
Das führt natürlich zu Konflikten in der Stadtteilvertretung – und das ist auch gut so. Frau Steglich benutzte nun die unter anderem von ihr im Auftrag des Bezirksamts erstellte Gebietszeitung „Ecke Turmstraße“ auf der Seite 3 für ein Glanzstück von Lumpenjournalismus. Über eine Diskussion der StV über ihre Arbeit heißt es dort: „Moderatere Mitglieder baten darum, endlich intern zu produktiver Arbeit zurückzukehren, statt auf den monatlichen Plena ständig mit immer sinnloseren AG-Anträgen und Beschlüssen befeuert und von Streitereien zermürbt zu werden“.

So hätten sie es gerne im Sanierungsgebiet (z.B. Oldenburger Straße). Für viel Geld wird der Kiez aufgehübscht und direkt gegenüber entstehen teure Eigentumswohnungen.
Quelle: Die Raumplaner
Bei besagten „sinnlosen Anträgen und Beschlüssen“ ging es unter anderem um Forderungen an das Bezirksamt, endlich Milieuschutzsatzungen auf den Weg zu bringen, um die Vertreibung etwas zu dämpfen und Maßnahmen gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum zu ergreifen. Das schreibt Frau Steglich natürlich nicht. Vielmehr stellt sie fest, „das Anliegen der Mieterinitiative (…) ist aber in der STV einfach an der falschen Adresse.“ Denn diese habe die Aufgabe die „Interessen der Bürger“ zu vertreten.
Das bringt die Sache auf den Punkt. Mieterinteressen haben in einem Bürgergremien nichts verloren, und man hat sich gefälligst auf die „Spielregeln“ einzulassen. Am liebsten wäre es dem Bezirksamt und den Sanierungsträgern natürlich, man würde sich wie die bisherigen StVen mit Baumscheiben, bemalten Verteilerkästen oder dem Material für Fahrradbügel beschäftigen und ein bisschen öffentliches Geld für Feste rausschmeißen. Und das nennt sich dann „die Interessen der Bürger vertreten“. Dieses Spiel macht unsere Mieterini aber nicht mit, und wir wollen auch nicht die Interessen aller „Bürger“ vertreten – im Gegenteil: Wir wollen massiv gegen jene „Bürger“ vorgehen, die z.B. als Investoren aktiv an der Mietervertreibung beteiligt sind. Wir wollen Mieter zum Widerstand ermuntern. Und wir wollen dem Bezirksamt Beine machen. Das haben wir auch ganz offen gesagt, als wir uns zur Wahl gestellt haben. Dass bezahlten Lumpenjournalisten dies nicht passt, ist normal, wird uns aber nicht weiter stören.
P.S. Die neue Ausgabe (1/2014) der “Ecke Turmstraße” wird in Kürze im Netz sein. Besagter Artikel (“Krise in der Stadtteilvertretung”) befindet sich auf S.3.