Man darf sich auch mal irren

Mit einem Lemberger St.Michaelsfeder 2011 “Großes Gewächs” von Christian Dautel und einem Glas Carnuntum Wildschweinterrine von der Wiener Manufaktur Hink kann man sogar eine gut vierstündige Zugfahrt von Düsseldorf nach Berlin gut ertragen. Dautel hat mir die Flasche für die Heimfahrt von der ProWein-Messe mitgegeben – wohl auch, weil es ihn wurmte, dass sein “Großes Gewächs” in einer Besprechung von mir nicht besonders gut wegkam.

So macht sogar Bahnfahren Spaß

Seiner These, dass mit der seinerzeit verkosteten Flasche irgendwas nicht in Ordnung war (Korkschleicher oder ähnliches) und der Wein in Wirklichkeit “Weltklasse” sei, kann ich mich nunmehr vorbehaltlos anschließen. Dichtes Kirscharoma und Waldbeeren treffen auf frisch gemahlenen Pfeffer und ein wenig Kaffee. Ganz feine Tannine, ein tolles, unaufdringliches Säuregerüst und dazu leicht rauchig-würzige Noten verleihen diesem wirklich großen Wein eine beeindruckende Gesamttextur. Ist jeden Cent der verlangten 24,50 Euro wert. Ganz großes Genießerkino schließlich die Kombination mit der großartigen Terrine – fein abgeschmeckt mit Rotwein und Nüssen und grandios gewürzt.

 

Es war der würdige Abschluss eines zweitägigen Fachmessebesuchs, um den man als Weinpublizist nicht herum kommt. Sensationen gibt es nicht zu vermelden, aber immerhin ein paar Erkenntnisse.

1.) In Deutschland wird immer mehr guter Rotwein produziert.

2.) Gemeinhin gelten geschmacksglobalisierte Weine aus den Sorten Chardonnay und Sauvignon blanc unter Weingenießern schlicht als die Pest. Doch wenn man das Zeug ohne Aromahefen, ohne absurde Überrreife, ohne aufdringlichen Holzgeschmack auf möglichst kargen Böden in sehr guten Lagen anbaut, können fantastische Weine entstehen: Mineralisch, mit filigranem Frucht-Säutrespiel. Fündig wird man außerhalb der traditionellen französischern Anbaugebiete dieser Sorten vor allem in der Steiermark und mein spezieller Favorit ist dabei Hannes Sabathi. Auch sein trockener Muskateller ist eine Granate!

3.) Das ganze “Terroir”- und “Authentizitäts”-Geschwurbel ist bei den meisten Produzenten schlicht PR-Geschwätz. Gut bezahlte Schönredner stehen auf der ProWein an jeder Ecke, um auch die langweiligsten Tropfen in aufwändigen Präsentationen als Superweine darzustellen. Oftmals ist das nur noch lächerlich.

Eine rühmliche Ausnahme war ein kleines Geschmacksseminar über portugiesische Weine und Gewürze, das von der Sommelière Christina Fischer und dem Koch Patrick Jabs veranstaltet wurde. Kein absurdes “passt zu”-Gelaber, sondern sehr detaillierte Beispiele für äußerst gelungene Wein-Gewürz-Kombinationen. Auch ich als recht ambitionierter Hobbykoch und -sommelier habe da noch einiges dazulernen können, z.B. dass schärfere Gerichte entgegen der landläufigen Meinung durchaus mit tanninbetonten Rotweine funktionieren können, wenn sie ausreichend Fett (z.B. Olivenöl) enthalten. Oder dass Kreuzkümmel großartig mit gereiften Süßweinen wie z.B. einem guten Madeira harmoniert.

Eher skurril aber dennoch aufschlussreich dagegen eine Präsentation der “Jungen Südpfalz” mit Weinen aus Aromasorten wie Muskateller, Gewürzrtraminer, Scheurebe und Sauvignon blanc, die von dem bekannten Winzer und Weinblogger Dirk Würtz  moderiert wurde, einem ausgewiesenen Verfechter authentischer Weine. So ganz leicht entgleisten dessen Gesichtszüge schon, als einer der von ihm präsentierten Jungwinzer freimütig preisgab, dass ihn die Gebietstypizität seiner Weine nicht die Bohne interessiere,, sondern nur die Machart, und die orientiere sich bei seinem Sauvignon blanc eben an Neuseeland. Bingo!

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