Nicht nur jeder Linke, sondern jeder einigermaßen humanistisch gesinnte Mensch wird sich gefreut haben, als klar wurde, dass das Linksbündnis Syriza die griechischen Parlamentswahlen mit Pauken und Trompeten gewonnen hat. Es war eine Wahlentscheidung nicht nur gegen die korrupten Eliten, die das Land seit Jahrzehnten ausplündern. Es war auch ein Votum gegen Angela Merkel und ihre Verbündeten in den Zentralen der Finanzkonzerne, die an dem Land ein Exempel für ihre „Austeritätspolitik“ statuieren wollen.
Das Spardiktat der Troika hat in Griechenland zu einer in der EU beispiellosen Verarmung großer Teile der der Bevölkerung geführt. Über ein Viertel ist arbeitslos, Millionen Menschen sind von medizinischer Versorgung ausgeschlossen.
Merkel&Co stecken in einer Klemme. Versuchen sie, Griechenland am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen, dann ist die Kohle aus den „Rettungspaketen“ futsch und die Euro-Krise geht erst richtig los. Lassen sie sich auf einen Schuldenschnitt ein, dann ist die Kohle auch futsch, und die anderen ausgepressten Staaten werden Gleichbehandlung fordern. Erste Reaktionen aus CDU- und Wirtschaftskreisen auf den Wahlsieg von Syriza zeigen deutlich, dass das ein Volltreffer war.
Eine von Syriza geführte Regierung braucht jetzt Mut, Standfestigkeit und einen kühlen Kopf. Sie muss unmittelbar spürbare Verbesserungen für die Armen auf den Weg bringen und die korrupten Eliten des Landes zur Kasse bitten, um das Vertrauen nicht wieder zu verspielen. Und sie muss der EU eine langfristige ökonomische und soziale Perspektive abtrotzen. Was Syriza nicht braucht, sind die guten Ratschläge bis hin zu fertigen politischen Konzepten für Griechenland, die derzeit von deutschen Linken aller Couleur durch die Gegend gepostet werden. Die deutsche Linke ist ein Jammertal: Auf der einen Seite die Führungsriege einer Partei, die beim Gedanken an Regierungsbeteiligungen feuchte Höschen bekommt und bereit ist, fast jeden asozialen Scheiß mitzumachen. Auf der anderen Seite versprengte Linksradikale, die so gut wie nichts auf die Reihe bekommen und sich wortmächtig in ihrer Marginalität suhlen. Wir sind nicht Syriza, sondern wir haben immer wieder versagt, wenn es darum ging, die sozialen und politischen Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. Wir haben weder Hartz IV, noch massenhafte Alters- und Kinderarmut in Deutschland verhindern können. Und jetzt müssen wir tierisch aufpassen, dass Deutschland nicht von einer heftigen rechtspopulistischen Welle überrollt wird.
Dennoch: Die ganze Angelegenheit ist unter dem Strich ziemlich erfreulich, auch wenn sie für „uns“ ziemlich teuer werden kann. Die asozialen Allmachtsphantasien des Finanzkapitals und seiner Büttel in der EU und in den nationalen Regierungen könnten einen empfindlichen Dämpfer bekommen. Das könnte ein gewisser Wendepunkt in der EU-Geschichte werden, denn nicht nur in Spanien, Portugal und Frankreich wird man den „griechischen Weg“ aufmerksam verfolgen.
Natürlich ist es noch viel zu früh, das richtig zu feiern. Aber einen Teller mit Kalamata-Oliven und anständigem Schafskäse werde ich mir jetzt genauso gönnen wie ein Glas portugiesischen Rotwein