Für mich beginnt das neue Jahr gefühlt nicht am 1.Januar, sondern am Sonntag nach der Umstellung auf die Sommerzeit. Denn jetzt können sie endlich kommen, die langen, lauen Frühlings- und Sommerabende auf dem Balkon oder auf der Terrasse.
Zu meinen lieb gewordenen Ritualen gehört es, das „neue Jahr“ mit einer Flasche frisch abgefüllten Elblings des aktuellen Jahrgangs zu begrüßen. Ich weiß, dass das in „gehobenen Genießerkreisen“ meistens nur mitleidiges Kopfschütteln auslöst. Elbling gilt verbreitet als „minderwertige“ Rebsorte, ohne ausgeprägtes Aromenpotenzial und bestenfalls als säurebetonter Grundwein für die Sektherstellung tolerabel.
Natürlich bietet auch ein guter Elbling nicht das große Geschmackskino mit tropischen Früchten, Waldbeeren, Nüssen oder Paprika. Und mit Holz kann man Weine aus dieser Sorte wohl eher versauen als veredeln. Wie dem auch sei: Mein diesjähriger Opener, der Elbling von Stephan Steinmetz aus Palzem-Wehr an der südlichen Mosel, hat alles, was man sich von ihm erhoffen konnte. Zwar konnte der Jahresantrunk nicht wie gewohnt auf der Terrasse in der Wandlitzer Datsche stattfindet. Denn “Mike” und “Niklas” ließen das nicht zu; wer hat schon Bock, dass ihm beim ersten oder zweiten Schluck eine entwurzelte Birke auf den Kopf fällt.
Also Verlegung nach Moabit. Und während draußen Äste und Dachziegel fliegen, lass ich mich von traubiger Frucht, straffer Säure, ein wenig Steinobst und Grapefruit und einem Hauch frisch gemähter Wiese verzaubern. Dazu ein paar österliche Barock-Arien von Nuria Rial und Emma Kirkby – und „Niklas“ kann mir mal!
Den Elbling trocken 2014 in der 0,75 l-Abfüllung von Stephan Steinmetz gibt es für 5,20 Euro ab Hof.