Realität tut manchmal weh

Irgendwie war es heute anders in den „Galeries Lafayette“. Wenn ich in Berlin-Mitte zu tun habe, pflege ich dort gelegentlich einzukehren, um ein paar kleine Leckereien zu erstehen. Die Feinkostabteilung dieses Kaufhauses ist ein kleiner Rausch der Sinne und weckt bei mir immer wieder Erinnerungen an Frankreich-Aufenthalte, an Rotwein zum Frühstück bei einem offiziellen Empfang in Brest, an die erste Auster in der Bretagne, an singende Köche in dem kleinen Landhotel, an die Fermes Auberges mit ihren ausschließlich regionalen und saisonalen Produkten, an das unglaubliche Picknick am Canal de Bourgogne, an das große, stolze Paris und die ebenso deftige wie feine Küche des Alsace.

Was von “meinem” Frankreich bleibt…..

Auch heute habe mir dort was gekauft, zwei köstliche Terrinen und eine halbe Flasche Rotwein aus Bergerac. Es wird mir sicherlich munden, doch meine unbeschwerte Sympathie für dieses Land und seine Menschen hat einen kräftigen Knacks bekommen. Die große Republik, das große Bollwerk der Aufklärung und der Lebensfreude gegen teutonisch-protestantischen Ungeist, das alles ist offensichtlich am Bersten.

Ich bin weder naiv noch bescheuert. Die ökonomischen und politischen Hintergründe des erschreckenden Rechtsrucks sind mir durchaus bewusst. Es ist auch nicht die einzige große europäische Kulturnation, die diesen Weg geht (siehe Polen).

In Deutschland sieht es kaum besser aus. „Wir“ führen mal wieder Krieg, eng verbündet mit den Verbrechern, die die Türkei und Saudi-Arabien beherrschen. Und noch immer sitzen Tag für Tag und Nacht für Nacht hunderte Flüchtlinge bei mir um die Ecke vor der zentralen Anlaufstelle der Hauptstadt, weil die Behörden seit über einem halben Jahr außer Stande sind, diese menschenunwürdigen Zustände zu beenden. Derweil haben selbst die abgeranztestes Imbisse auf der Turmstraße ihre Weihnachtsdekoration aufgehängt und aus dem Telefonshop dröhnt „Jingle Bells“.

Draußen ist es dunkel. Ich werde jetzt ein paar Scheiben Terrine essen und ein Glas Bergerac trinken. Und dazu die Motette „Jesu meine Freude“ hören. Der Text wird mich nicht erbauen. Aber vielleicht die Musik.

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