Für die Weinszene war es eine Art Pilgerfahrt. Die Weinmesse RAW, die am Sonntag in der Kreuzberger Markthalle Neun zelebriert wurde, widmete sich ausschließlich schwefelfreien bzw. -armen und auch sonst möglichst naturbelasssen produzierten Weinen. Zu den Kriterien gehören ferner biologische Bewirtschaftung, Handlese und Verzicht auf Fremdhefen bei der Vergärung. Schönung und Filtration sind allerdings erlaubt, müssen aber angegeben werden.
RAW versteht sich als eine Art Vernetzungsplattform von Winzern, Weinbauverbänden, Importeuren, Händlern und Konsumenten – und haut medial mächtig auf die Sahne. Die ist viel von „Authentizität“, „Emotion“, „lebendiger Präsenz“ usw. die Rede. Hat man aber alles auch schon in anderen Prospekten gelesen. Und der Hype um die „Orange Wines“ aus Amphoren ist ja auch nicht mehr so neu.
122 Winzer aus 16 Ländern präsentierten sich in der rappelvollen Markthalle. Viel Italien, viel Frankreich, aber auch Exoten wie Tschechien und Polen waren vertreten.
Ich mach es kurz: Mindestens die Hälfte der schwefelfreien Weine, die ich probiert habe, schmeckten gelinde gesagt ziemlich merkwürdig, irgendwo zwischen Sherry und verdorbenem Fruchtsaft. Manche waren einfach nur furchtbar. Wenn das der neue Trend sein soll, für den betuchte Connaisseure in den Top-Restaurants dieser Welt Unsummen bereit sind auszugeben – bitte sehr. Aber ohne mich. Jedenfalls verließ ich nach knapp 90 Minuten relativ entnervt die Lokation und machte mir zu Hause erst mal einen anständigen Wein auf, einen Centgrafenberg von Rudolf Fürst. Erfüllt garantiert nicht alle RAW-Kriterien, schmeckt aber großartig.