Lange Zeit war Deutschland in Sachen Cuvées ein Entwicklungsland. Während in den meisten großen Weinbauregionen der Verschnitt verschiedener Rebsorten traditionell das Maß aller Dinge und auch weingesetzlich reglementiert wird, stand in Deutschland rebsortenreiner Wein im Mittelpunkt, wenn man mal von merkwürdigen Getränken wie „Trollinger mit Lemberger“ absieht.
Der Klimawandel und der Rotweinboom haben dafür gesorgt, dass sich das allmählich ändert. Der Anbau internationaler Rebsorten wie Cabernet Sauvignon und Merlot erlebte einen kräftigen Aufschwung, dazu kommen etliche Neuzüchtungen wie Cabernet Dorsa, -Mitos, -Cubin u.a. Es wird kräftig experimentiert, auch unter Verwendung traditioneller deutscher Sorten wie Lemberger, Spätburgunder und Portugieser. Auch bei Weißweinen ist eine Zunahme der Cuvées zu verzeichnen, wenn auch nicht in dem Ausmaß wie bei Roten.
Dass neben interessanten bis großartigen Weinen dabei auch allerlei Mist auf den Markt gespült wird, gehört zum Wesen neuer Trends. So kann man ein Projekt der Universität Geisenheim wohl getrost als veritable Schnapsidee bezeichnen. Dort kreierten Studenten zwei Weine zum 25. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung. Dafür wurden Weine des Jahrgangs 2014 aus allen 13 deutschen Anbaugebieten zusammengeschüttet, in der weißen Einheitsbrühe landeten außer 60 Prozent Riesling auch Scheurebe, Solaris, Müller-Thurgau, Chardonnay, Silvaner und Weißburgunder verschiedenster Qualitätsstufen und Terroirprägungen vom Fasswein bis zur VDP-Auslese . Beim Roten konzentrierte man sich auf Spätburgunder (90 Prozent), dieser allerdings von teilweise eher zweifelhafter Herkunft und ergänzt durch ein bisschen Domina und Regent. Wie die beiden „Einheitsweine“ geschmeckt haben, kann sich vermutlich jeder Weinfreund vorstellen. Ich verzichte auf vertiefende Bemerkungen, das Zeug war schlicht und ergreifend sch…..
Angeblich sollte das Zeug am 3.Oktober 2015 in Wiesbaden bei einer großen Einheitsfeier „von Staatsmännern und Regierungschefs aus der ganzen Welt verkostet werden“, wie es in der Pressemitteilung aus Geisenheim hieß. Man kann sich nur wundern, dass im Anschluss an die Sause nicht mehrere Staaten die diplomatischen Beziehungen mit Deutschland abgebrochen haben. Aber irgendwie sind es auch zwei ehrliche Weine, denn sie illustrieren angemessen den Verlauf des deutschen Einheitsprozesses.