Moabit ist schon ein merkwürdiger Bezirk. Am Montag gab’s wieder Rassisten-Folklore mit ein paar Dutzend BÄRGIDA-Vollpfosten. Am Dienstag versammelte sich dann die Helferszene vor dem berühmt-berüchtigten LAGESO zum Protest gegen die dortigen Zustände und die Asylrechtsverschärfungen. Wer das alles nur noch mit harten Drogen aushält, stößt im frisch renovierten Kleinen Tiergarten auf ein gut sortiertes Angebot. Ein paar Meter weiter in Richtung Spree, residieren die Reichen und Schicken des Bezirks in ihren noblen Eigentumswohnungen, ein paar Meter weiter westlich Roma-Familien in überteuerten und überbelegten Bruchbuden.
Der Clash der Kulturen auf engstem Raum hat viele Facetten. In der „Oldenburger Klause“ darf man rauchen und bekommt ein ordentlich gezapftes großes Pils für zwei Euro, während im Süden des Kiezes die neuen veganen Hippen ihren Soja-Latte schlürfen. In der halbgentrifizierten Markthalle gibt es es vorne Geflügelbratwurst für einen Euro und hinten 100 Gramm Gänsestopfleberterrine für zehn Euro.
Dort gibt es auch eine Weinhandlung, die sich von anfänglichen Größenwahn-Abmessungen mittlerweile realitätstauglich eingeschrumpft hat. Wenig Allerweltszeug, dafür viele deutsche Erzeugerabfüllungen, besonders aus der Pfalz. Nicht nur für Moabiter Weinfreunde auch ein Ort für Entdeckungen. So halten ja viele den Anbau von Grauburgunder für eine nicht zu rechtfertigende Verschwendung von wertvollem Ackerland. Es gibt auch leider viel zu viele Beweise für die Richtigkeit dieser Einschätzung. Und dann das! Eine blitzsaubere trockene Grauburgunder-Spätlese vom Weingut Joachim Hof in Heuchelheim (Südpfalz). Ein Spaßwein mit Kraft und Finesse. Klar und reintönig, viel gelbe Frucht und ein wenig Quitte im Mund, angemessener Säurekick. Und noch dazu ein recht vielfältiger Speisenbegleiter, beispielsweise zu den gleich nebenan servierten Flammkuchen (den wohl besten der Stadt).
Natürlich gibt es in Moabit Wichtigeres als die Möglichkeit, guten Wein kaufen zu können. Aber angenehm ist es trotzdem.