Als am Sonntag um ca 17,45 Uhr Millionen Deutsche mehr oder weniger fiebrig auf die ersten Prognosen zu den Landtagswahlen warteten, stieß ich auf der Düsseldorfer ProWein-Messe ganz entspannt mit der fränkischen Weinkönigin an (mit einem feinherben Traminer). Als so gegen 20,30 die politische Klasse in allen TV-Sendern ihre Sorgenfalten zur Schau stellte, verspeiste ich im „El Pescadore“ in entspannter Runde Muscheln, ein paar Garnelen und gebratenen Fisch. Und auch am Morgen danach galt mein Interesse eher dem gebietsypischen Zweigelt aus dem Carnumtum-Gebiet und den edelsüßen Weinen von Heidi Schröck, als dem Gejammer über „politische Erdrutsche“ und schwierige Regierungsbildungen. Und als am Montagabend das Talkshow- und Interview-Gewitter prasselte, nutzte ich den ICE von Düsseldorf nach Berlin als temporäre Schlafstätte.
Hab ich was verpasst? Wohl kaum. Die AfD hat die zu erwartenden Ergebnisse erzielt (das gilt für mich auch für Sachsen-Anhalt), parallel dazu gab es regional unterschiedliche Einbrüche der „Altparteien“. Rechtspopulismus, Rassismus und allgemeine Unzufriedenheit haben eine starke Plattform gefunden, das zeigt auch die erhebliche Mobilisierung bisheriger Nichtwähler. Ja, es gibt die Gefahr des rasanten Vormarschs einer antimodernen, antidemokratischen und in großen Teilen rassistischem Bewegung. Es gibt ferner die begründete Hoffnung, dass der enorm hohe Anteil von Hohlbirnen und Glücksrittern unter den Neuparlamentariern der AfD relativ schnell zur Selbstdemontage dieser Partei führt, was allerdings nicht das Ende der o.g Bewegung bedeuten würde.
Dem muss dringend etwas entgegengesetzt werden. Und zwar kein „Schulterschluss der Demokraten“ nach üblichem Muster, sondern ein Politikwechsel, der einen Bruch mit der neoliberalen Verarmungs- und Ausgrenzungspolitik bedeutet und die soziale Infrastruktur in den Mittelpunkt stellt, von der frühkindlichen Bildung über die Wohnungsversorgung bis hin zur Vermeidung von Altersarmut immer größerer Teile der Bevölkerung. Es braucht mehr Verteilungs- und Teilhabegerechtigkeit, statt Austerität und „schwarzen Nullen“. Und es braucht unmissverständlich klare Kante gegen Rassismus. Wenn dies auf den Weg kommt, dann hätte dieser Wahlsonntag durchaus etwas etwas Positives gehabt. Wenn nicht, dann könnte es allerdings ziemlich finster werden.
Ich werde heute keine Zeitungen lesen, sondern meine Unterlagen und Notizen von der ProWein sortieren um entsprechende Veröffentlichungen vorzubereiten. Bald beginnt die Spargelsaison, daher werde mich mich wieder intensiv um leichte, trockene Silvaner bemühen, aber auch um Rotweine mit „kühler“ Stilistik (natürlich nicht zum Spargel). Mehr oder weniger tiefschürfende Hervorbringungen zu den „Schockwahlen“ wird es in den nächsten Tagen schließlich genug geben.