Likörkrieg im Hirschrevier

Der Spirituosenmarkt ist hart umkämpft. Die großen Platzhirsche versuchen ihr Revier zu verteidigen, vor allem gegen Newcomer, die mit neuen Ideen und Produkten auf den Markt drängen. Derzeit tobt ein heftiger Streit unter Produzenten von Kräuterlikören, bei dem Hirsche eine gewichtige Rolle spielen. Es geht um Plagiatsvorwürfe, die sowohl Rezeptur und Geschmack der Liköre als auch die Aufmachung der Flaschen betreffen. Dabei verstrickt sich einer der Beteiligten, der Bonner Unternehmer Dirk Verpoorten, in erhebliche Widersprüche.

Dirk Verpootens “HirschRudel”: Ein Mann, ein Likör, ein Koffer und viele offene Fragen:

Nun ist Dirk Verpoorten kein kleiner Spirituosenhersteller, sondern Sproß der gleichnamigen Likördynastie und gehört nach wie vor zu den Gesellschaftern des gleichnamigen Unternehmens. Außerdem gründete er 2007 die Firma “Seven-Spirits”, die sich auf den Import bzw. die Vertriebsrechte meist hochpreisiger deutscher und internationaler Spirituosen spezialisiert hat. Dazu kommt die Produktlinie “DV7″, in Frankreich hergestellter alkoholfreier Sirup für Mixgetränke. Exklusiver Vertriebspartner ist die „WeinWolf“-Gruppe, einer der Marktführer in diesem Segment. 2014 führte er den Kräuterlikör „HirschRudel“ als Eigenmarke ins Sortiment ein. Dieser soll laut PR-Texten auf dem Rezept seiner 1968 verstorbenen Großmutter basieren, das zufällig in einem alten Koffer entdeckt wurde. Zur Legende gehört ferner, dass der Likör handwerklich in limitierten Kleinmengen produziert wird. Allerdings wurde der „HirschRudel“ offenbar von Anfang an in einem industriellen Großbetrieb in Niedersachsen verarbeitet und abgefüllt, der Condor GmbH mit Sitz in Sandkrug.

Doch davon will Verpoorten nichts wissen. Sowohl gegenüber dem Berliner Tagespiegel als auch gegenüber spiegel online bestritt Verpoorten Ende März und Anfang April 2016 kategorisch, dass sein Likör jemals bei Condor abgefüllt worden sei. Entsprechende Angaben im Internet seien falsch, und er habe auch “keine Ahnung” wie die dort hingelangt seien.

Der Abfüller soll geheim bleiben

Da sagt er schlicht die Unwahrheit. Im Juni 2015 war ich mit ihm in seinem Bonner Büro verabredet, um der Geschichte vom „authentischen Kräuterlikör“ nachzugehen und möglicherweise einen Artikel darüber für ein Genussmagazin zu schreiben. Vor allem die Sache mir „Condor“ schmeckte Verpoorten bei dem Gespräch (dass ich mit seinem Einverständnis aufgezeichnet habe) überhaupt nicht. Zwar räumte er unumwunden ein, dass „HirschRudel“ dort produziert wird und zeigte mir sogar Bilder von der Abfüllung und Etikettierung auf seinem Tablet. Das sei aber nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Da müsse man in der Außendarstellung wohl noch ein Loch stopfen. In der Tat, denn das Image des „handwerklich“ hergestellten Likörs verträgt sich schwerlich mit einem industriellen Großproduzenten und -abfüller.

Auch ansonsten erwies sich die Produktlegende als wenig verifizierbar. Der Überseekoffer, in dem sich das Poesiealbum der Großmutter mit den Kräutern und Rezepturen befunden haben soll, wird gerne gezeigt, das Album selbst aber nicht (auch nicht als Faksimile). Zur Produktionsmenge werden keine Angaben gemacht. Zwar sind die Flaschen durchnummeriert und es gibt eine „Fassnummer“, aber das bezieht sich nur auf die jeweilige Produktionscharge, die laut Verpoorten jeweils 2- 3 Fässer und insgesamt 3000 Flaschen umfasst. Doch wie viele Chargen hergestellt wurden, wird nicht mitgeteilt. Es tauchten ferner Widersprüche beim Zeitablauf zwischen der „Entdeckung“ des Rezepts bis zur Markteinführung auf. So hieß es auf der Internetseite seiner Firma: “Er beschließt im Jahr 2014, den Likör nach dem Originalrezept (…) wieder ins Leben zu rufen”, doch die Markenanmeldung erfolgte bereits 2012. Im Gespräch datierte Verpoorten den Fund des Koffers mit besagter Rezeptur auf „2012 oder 2013“

Für mich war die Sache damit eigentlich erledigt, denn ich schreibe keine Geschichten auf der Basis von PR-Legenden. Doch wie der Zufall manchmal spielt, erfuhr ein Verwandter einer bayrischen Likörproduzentin über drei Ecken davon, dass ich mich für „HirschRudel“ interessiert habe und bei Dirk Verpoorten war. Auch mit ihm traf ich mich – und hörte eine ganz andere Geschichte.

Alles nur geklaut?

Petra Waldherr-Merk und ihre Familie stellen seit mehr als zehn Jahren – also deutlich vor der Markteinführung von Verpoortens Produkt – ebenfalls einen Kräuterlikör her, den „Hirschkuss“. Auch er basiert auf einem Familienrezept, in diesem Fall war es die Überlieferung der Großtante. Anders als Verpoorten zeigt Waldherr-Merk auch die alten Aufzeichnungen. Sie geht davon aus, dass Verpoorten ihr -recht erfolgreiches – Produkt kopiert hat, sowohl die Story, als auch die Inhaltsstoffe und den Geschmack betreffend. Sensorisch sind in der Tat erstaunliche Parallelen festzustellen. Eines der führenden Institute für Spirituosenanalyse kam zu dem Ergebnis, dass die Aromenprofile der beiden Liköre „nahezu identisch“ sind. Zudem hätte HirschRudel genau wie Hirschkuss eine deutliche “Rumnote, die für Kräuterliköre als Besonderheit zu werten ist”. Zufall?

Waldherr-Merk hat inzwischen beim Patentamt die Löschung der Marke „HirschRudel“ beantragt. Doch dem Bonner Spirituosenmogul droht noch weiteres Ungemach. Denn auch der Branchenriese „Jägermeister“ hat den Klageweg eingeschlagen um Markenschutzrechte durchzusetzen. Moniert wird, dass “HirschRudel” die Hubertushirsch-Bildmarke verletzt. Am 11. Dezember 2015 entschied das Landgericht Hamburg, dass „HirschRudel“ nicht mehr in Verkehr gebracht werden darf und dem Kläger – also Jägermeister – zudem ein Schadensersatzanspruch für alle bislang bereits vertriebenen Flaschen zusteht. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Das alles wäre eigentlich nicht meine Baustelle, zumal schon etliche Medien über den „Likörkrieg“ berichtet haben. Auch dass Verpoorten den Plagiatsvorwurf von Waldherr-Merk vehement als „abwegig“ zurückweist und der Likörproduzentin mit Klage droht, gehört halt zum üblichen Procedere. Zudem sehe ich mich außerstande, die Justiziabilität der Vorwürfe ausreichend fundiert beurteilen zu können, dafür gibt es schließlich Gerichte. Ich kann es aber nicht besonders gut leiden, wenn ein bekannter, erfolgreicher Unternehmer öffentlich und dreist die Unwahrheit sagt. Vor allem kann ich es nicht leiden, wenn Verbraucher in Bezug auf die Herstellung von Produkten hinters Licht geführt werden sollen.

 

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