Aus dem Leben eines temporären Silvaner-Trinkers

Es soll ja Menschen geben, die Weinpublizisten beneiden. Immer nette Reisen und jede Menge Stoff für lau oder so. Da ist zweifellos ein bisschen was dran. Aber den Stressfaktor – ich meine nicht den für die Leber – sieht niemand.

Derzeit habe ich mir, wie bereits in den vergangenen Jahren, die Aufgabe gestellt, den „Spargelkönig“ zu küren, also jenen Wein, der in diesem Jahr am besten zu Spargel passt. Da dies in seiner ganzen Bandbreite eine schier unlösbare Aufgabe wäre, habe ich immerhin bei der Anfrage für Proben ziemlich enge Grenzen gezogen: Franken, Jahrgang 2015, Silvaner, trocken, maximal 12,5 Vol.% Alkohol. Ich weiß um die relative Beschränkheit dieser Testanordnung, habe dafür aber gute Gründe. Zunächst einmal ist trockener fränkischer Silvaner eine Bank für Spargel. Jedenfalls dann, wenn er mineralisch, ein bisschen erdig und mit nicht allzu überbordender Frucht daherkommt. Auch die Alkoholschranke macht Sinn: Schwere Weine machen einfach zu satt und können den zarten, edelbitteren Geschmack der edlen Stangen schnell erschlagen. Vor allem, wenn es um „Spargel nature“ geht, also ohne Soße oder Beilagen wie Schinken, Schnitzel, Bratwürste oder Lachs, sondern nur mit guten Kartoffeln und zerlassener Butter zubereitet. Denn nur das bringt den Spargel als geschmacklichen Solitär zur angemessenen Blüte.

2015 war ein Jahrgang, der auch in Franken hohe Mostgewichte und entsprechend alkoholreiche Weine begünstigte. Diverse Güter sagten mir deshalb ab: sie haben schlicht nichts unter 13 Vol.%. Andere haben noch nicht abgefüllt und konnten noch nicht einmal mit Fassproben dienen. Das ist sicherlich schade, aber die Zeit drängt; schließlich soll mein „Spargelkönig nicht erst gekürt werden, wenn die Saison fast vorbei ist, also Ende Juni.

Das Mahnmal des unbekannten Bocksbeutels

Dennoch sind 42 Weine eingetroffen, einige werden noch kommen. Da mag manch Profi milde lächeln, 42 oder auch 50 Weine haut man in einer Verkostung doch locker in ein paar Stunden weg, bewertet sie mit Punkten – und schwupps hat man den Spargelkönig. Ich will es aber anders machen. Es geht nur um die Frage, wie gut die Weine zu Spargel passen. Das wird konkret getestet: Immer 5-6 Weine, ein paar Stangen Spargel, Butter, Kartoffeln und einen oder zwei oder gar keinen für das Finale nominieren. Und zwar nicht mit Sommeliers, Weinhändlern oder sonstigen Koryphäen, sondern mit ausgewählten genuss- und weinaffinen Konsumenten aus meinem Bekanntenkreis, die schlicht sagen: Der passt (oder eben auch nicht). Das mag nicht den gängigen Gepflogenheiten der Weinpublizistik entsprechen, realitätstauglicher ist es aber allemal.

Das ist Arbeit, wenn auch mit einem gewissen Genuss- und Spaßfaktor. Und es ist spannend. Es gibt flaches Zeugs, dass irgendwie aufgeblasen wurde, es gibt „moderne“ Silvaner mir zu viel Restzucker für diesen Verwendungszweck, es gibt welche mit unangenehm zitroniger Säure oder merkwürdigen Fehltönen. Aber es gibt auch etliche potenzielle „Spargelkönige“. Wahrscheinlich mehr als 5-6, sodass ich mir bei den Verkostungen entsprechend präzise Notizen machen muss. Und es gibt Weine die richtig gut sind – aber eben nicht die optimalen Partner für Spargel nature.

Warum ich das mache? Zum einen, weil Weinpublizistik Teil meiner Erwerbstätigkeit als freier Journalist und Buchautor ist. Zum anderen, weil es Spaß macht, Lesern ein paar nützliche Tipps auf dem Weg zu guten Genusserlebnissen zu geben. Bald ist es vorbei, der „Spargelkönig“ wird noch im April gekürt. Danach werde ich privat natürlich weiterhin Silvaner zu Spargel trinken.

Gibt es nichts Wichtigeres? Aber sicher! Doch zu Böhmermann haben alle schon alles gesagt, und zur Forderung der AfD nach einem „Islamverbot“ werde ich mich in Kürze äußern. Jetzt erstmal Silvaner.

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