Der Tag des Herrn – auch für Agnostiker

Sonntag ist der Tag des Herrn. Das könnte mir als Agnostiker eigentlich egal sein, aber wenn man sich auf dem Leipziger Bachfest befindet, bietet dieser Tag eine besondere Ballung musikalischer Genüsse, da neben den “richtigen” Konzerten auch der liturgische Alltag der Bachschen Musik in geballter Form präsentiert wurde. Man muss dann die “Werbeeinblendungen” der evangelischen Kirche in Kauf nehmen, dafür kostet es keinen Eintritt.

Ich begann den Tag mit einem Gottesdienst auf dem Marktplatz.. Dieser war nicht so gut gefüllt wie in den vergangenen Jahren, was wohl weniger mit wachsender Kirchenferne, als vielmehr mit der Besetzung zu tun hatte. Die Hallenser Madrigalisten haben nun mal vor allem auf die aus aller Welt angereisten Kulturtouristen weniger Sogkraft als der berühmte Thomanerchor. Durchaus zu Unrecht, denn die vom Leipziger Barockorchester begleiteten Hallenser sangen sich klar, dynamisch und präzise durch die Bach-Kantate “Ach Herr, mich armen Sünder” und ein kleines, sechsstimmiges Chorwerk von Heinrich Schütz. Und alleine der leider auf ein kleines Rezitativ in der Kantate beschränkte Auftritt der Leipziger Altistin Susanne Krumbiegel war den Besuch des Gottesdienstes wert.

Immer wieder ein Genuss: Die Leipziger Altistin Susanne Krumbiegel

Eher durch Zufall gelangte ich zu einer weiteren Veranstaltung dieser Art, dem Universitätsgottesdienst in der Nikolaikirche. Dort gab es weder Chor noch Orchester, dafür aber Daniel Beilschmidt an der Orgel, und das nicht nur zur Begleitung der von der Gemeinde gesungenen Kirchenlieder. Die von ihm dargebotene Fantasie und Fuge über B-A-C-H von Max Reger erklang auf dem großartigen Instrument dieser Kirche in ihrer ganzen Wucht und Fülle. Scheinbar rast- und ziellose harmonische Wanderungen rund um das kleine Motiv landen immer wieder an ihrem magischen Pol, wobei Beilschmidt (fast im wahrsten Sinne des Wortes) alle Register zieht. Kein Easy Listening, aber ein guter Einstieg in die Welt des Max Reger, für den Bach stets „der Anfang und das Ende aller Musik“ bedeutete.

Kleiner Mensch und große Orgel: Daniel Beilschmidt in der Nikolaikirche.

Nach einem “richtigen” Kantatenkonzert mit tollen Solisten aber dem nicht vollkommen überzeugenden Knabenchor Hannover dann schließlich Kammermusik in dem liebevoll restaurierten Ballsaal des früheren “Hotel de Pologne” mit dem Klenke-Quartett. Die vier Streicherinnen boten eine Art “Konsens-Programm”: Erst ein bisschen Bach in Form einiger Takte aus der “Kunst der Fuge”, dann ein belangloses, aber nett anzuhörendes Streichquartett von W.A. Mozart und zum Abschluss noch etwas “härteren Stoff”. Verstärkt durch den renommierten Klarinettisten Alexander Bader wurde ein spätes Werk des 1916 verstorbenen Max Reger aufgeführt. Ausgehend von einem sparsamen, an Brahms erinnernden Motiv entwickelte Reger ein äußerst kontrast- und variantesreiches Harmoniegeflecht, voller harmonischer und rhythmischer Finessen. Und vor allem sehr klar und detailversessen dargeboten.

Eigentlich hätte man sich nach diesem Abendkonzert noch ein Orgelspektakel auf dem Marktplatz anschauen können. Doch das fiel den zwischenzeitlich heftigen Regengüssen zum Opfer. Die hatten aber auch etwas Positives. Die akustische und visuelle Tortur durch marodierende, euphorisierte Fußballfans blieb einem witterungsbeding erspart.

 

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