Ich bin kein Wein-Hipster. Trinke sogar halbtrockenen Elsässer

Wenn ich in einem der einschlägigen Foren Sätze wie „Erich, der mvg GB ist einfach der totale Wahnsinn“ lese, dann wird es mir wieder schmerzlich bewusst: Ich werde wohl nie ein Wein-Hipster werden. Die Bewusstseinsphäre, in der man einen maischevergorenen Grauburgunder vom Weingut Erich Machherndl (Niederösterreich) lässig als „mvg GB von Erich“ in die Netzwelt schmettert, werde ich in diesem Leben nicht mehr erreichen. Natürlich könnte ich dem Autor noch ein szenegerechtes „Geh scheissn, Oida“ hinblättern und mich mit „LOL“ verabschieden, aber das ist bestenfalls 3. Hipsterliga.

Fast noch schlimmer: Ich mag mitunter sogar absolut unhippe Weine. Altmodisches, süffiges Zeugs, das von den großen Dampfplauderern der Weinwelt längst final gedisst wurde. Z.B. diese längst in die Weinhölle verbannten „nicht richtig trockenen“ Elsässer.

Ich gehe mal davon aus, dass Jean Becker dieses ganze Geschwurbel ähnlich Mumpe ist (das ist berlinerisch, fast schon wieder hip) wie mir. In 13. Generation bewirtschaftet er sein Weingut in Zellenberg (Alsace), seit 1985 biologisch zertifiziert. Es gibt Ortsweine, Lagenweine, Grands Crus und edelsüße Beerenauslesen und dabei auch ein wenig Muscat. Das ist so etwas wie der verkannte Star unter den im Elsass zugelassenen Rebsorten. Nur 2,3 Prozent der Rebfläche sind mit einer der beiden verwendeten Varianten Muscat d’Alsace (a petit grains) und Muscat Ottonel bestockt. Die sehr aromaintensive Bouquet-Sorte steht eindeutig im Schatten des Elsässer Flagschiffs Gewurztraminer. Und während sie z.B. in der Steiermark mittlerweile beinhart trockene, fast staubige Muskateller vinifizieren ( die ich ebenfalls toll finde, z.B. von Hannes Sabathi), gibt es bei Becker die berüchtigten „nicht richtig trockenen Elsässer“.

Schon der Gutswein, ein offenbar lagerfähiger 2012er “Tradition”, hat es in sich. Betörender intensiver Blütenduft, feine Muskatnote, vollreife Birnen und Pfirsische und eine Spur kandierte Früchte sowie ein Hauch Zitrusfrüchte bei insgesamt recht verhaltener Säure. Jedenfalls ein schönes, süffiges Mundgefühl und großer Trinkspaß, zudem mit 12,5% ausgesprochen bekömmlich .

Fro(e)h(n) zu sein bedarf es wenig, denn wer Fro(e)h(n hat, ist ein König (Aua!)

Jedenfalls Anlass, um noch einen draufzulegen. Gelegentlich noch erhältlich ist der Muscat Grand Cru Froehn 2007 von Becker. Überraschend frisch, ausgesprochen filigran und mit deutlich ausgeprägterem Säuregerüst präsentiert sich der bernsteinfarbene Wein. Weniger vordergründige Blüten- und Fruchtdröhnung , dafür ein wenig Krokant, reife Mirabelle und auf der „bitter-sauren“ Seite Orangenschale, Bittermandel und (bin mir nicht ganz sicher, aber diese Einschränkung ist schon wieder unhip) Quitte. Auch eine Spur Birnenbrand, aber weit entfernt von unangenehm brandigen Noten, Nicht opulent, aber so richtig elegant.

Die Suche nach Internet-Bezugsquellen spare ich mir jetzt. In Berlin gibt es die beiden Muscats von Becker bei Autos&Weine, für wenig hippe 9,60 bzw. 13,40 Euro.

Und falls der Wein irgend jemandem nicht schmecken sollte: Geh scheissn, Oida, LOL. Na bitte, geht doch…..

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