Es macht keinen Spaß, nach einem -viel zu kurzen Urlaub- wieder in Berlin anzukommen. Vor allem, wenn man auf einer wunderbaren kleinen Insel wie Pellworm war. Eingebettet in das nordfriesische Wattenmeer und zuweilen umtost von der Nordsee scheinen die 1200 Bewohner igendwie in sich zu ruhen. Das Verhältnis zwischen landwirtschaftlicher Nutzung und Fremdenverkehr erscheint stimmig. Keine Bettenburgen, kein Ballermann-Ambiente,kein Animationsterror, keine großkotzigen Refugien für Superreiche, kein Nordseeromantik-Gedöns, keine überfüllten Hotspots. Alles wirkt ruhig, gelassen gediegen und freundlich, und wer mit sich, der skurillen Wattlandschaft und einigen der über 6000 Schaffe und Lämmer alleine sein will, findet auch in der Hochsaison genügend Platz. Balsam für Körper und Seele, und angesichts der an jeder Ecke angebotenen frischen Schollen auch für Gaumen und Magen. Nur der gelegentliche Blick auf die TV-Nachrichten erinnert daran, dass die Welt kein Ponyhof ist.
Berlin ist anders: Bei der Ankunft in der beginnenden Nacht sehr laut, dazu schmutzig und es riecht schlecht. Am heutigen Sonnabend gibt es eben nicht wie in Pellworm ein beschauliches Hafenfest, sondern eine Demo von Rechtspopulisten im Regierungsviertel nebst Gegenaktionen, einen lärmenden Love-Parade-Gedächtnisumzug und den Start der Wahlkampfplakatierung. Bis zum 18. September ist man schutzlos dem visuellen Terror von grinsenden Hackfressen, dümmlichen Werbesprüchen und grafischen Kokserfantasien ausgesetzt. Einziger Lichtblick ist die Ernte auf dem während meiner Abwesenheit von der Nachbarin offenbar sachgerecht betreuten Balkon. Ein Glück, dass ich wenigstens bald wieder auf den Landsitz nach Wandlitz entfliehen kann. Allerdings mit bangen Gefühlen, denn es soll in der Region in der vergangenen Woche ein nahezu sintflutiges Unwetter gegeben haben und ich erinnere mich noch sehr gut an die entwurzelte Birke vor zwei Jahren.
Eigentlich habe ich nicht viel Lust zu’arbeiten, aber „wat mutt dat mutt“, wie der Pellwormer sagen würde. Auf dem Schreibtisch liegt ein unterschriebener Autorenvertrag für ein Buch nebst (fast noch wichtiger) Gutschrift für einen einigermaßen anständigen Vorschuss. Dazu harrt ein Essay zu Tauschkultur und „Share Economy“ seiner Fertigstellung, und zwei thematisch sehr unterschiedliche Artikel zu der Eisenacher Ausstellung „Bach und die Juden“ müssen allmählich vorbereitet werden. Von wohnungspolitischem Kleinkram und der Besprechung eines großartigen Blauen Zweigelt vom Weingut Netzl will ich gar nicht reden. Und überhaupt: Nach der „Flens-Kur“ in Nordfriesland könnte man ja mal wieder ein Glas anständigen Wein trinken.