Der deutsche Weinbau hat sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten rasant verändert. Veränderte Marktbedingungen und Trinkgewohnheiten haben sowohl in der Spitze als auch im mittleren Segment zu deutlichen qualitativen Fortschritten geführt. Das betrifft unter anderem auch die Pfalz, das zweitgrößte deutsche Anbaugebiet. Zwar gibt es dort –glücklicherweise – immer noch knarzige, knochentrockene Rieslinge und gradlinige einfache Spätburgunder für wenig Geld und natürlich auch jede Menge diffusen Flüssigmüll, doch der Trend weist in Richtung komplexere Weine.
Allerdings gibt es Innovationen, an denen sich mit Sicherheit nicht alle Weinfreunde erfreuen können. Das Holz, in Form von kleinen „getoasteten“ Eichenfässern hat nunmehr auch den Riesling erreicht. Vorreiter ist das große und dank offensichtlicher Kapitalkraft auch mächtige Weingut von Winning in Deidesheim. Dort werden in guten bis sehr guten Lagen mächtige, vollreife Riesling-Weine erzeugt – und teilweise in besagten kleinen Holzfässern ausgebaut. Dem für guten Riesling typischen filigranen Süße-Säure-Spiel und den oftmals üppigen Aromen von Pfirsich, Mango oder Litschi, werden auf diese Weise verschiedene Röstaromen, ein wenig Vanille oder gar Tabak- und Kaffeenoten hinzugefügt. Im Idealfall bleibt dies dezent und entwickelt zusammen mit dem „puren“ Riesling-Geschmack einen gewissen Schmelz. Betont wird, dass diese Weine viele Jahre brauchen, um ihre Trinkreife erreicht zu haben und in der Tat war der vorherrschende Eindruck bei einer Verkostung auf dem Gut vor ein paar Tagen, dass diese Wuchtbrummen noch nicht einmal die Pubertät erreicht haben.
Spaß machen Weine wie der „Riesling Forster Ungeheuer 500″ zunächst einmal nicht. Und das liegt nicht nur an dem stolzen Preis von in diesem Fall 28 Euro. Man hat Probleme, derartige Weine in seinen Riesling-Kosmos einzuordnen kann, man vermisst die – durchaus mit Tiefgang zu verbindende – verspielte Leichtigkeit, welche diese deutsche Paraderebsorte auszeichnet. Man kann sich auch nur schwer vorstellen, zu welcher Gelegenheit man einen solchen Wein trinken mag.
In der gehobenen Weinpublizistik haben die Holz-Rieslinge wie eine Bombe eingeschlagen. Aufschlussreich sind Beschreibungen wie „eine Erinnerung an einen Viognier wie es ihn nur auf Chateau Grillet gibt. Ein Riesling, den man auch mit einem Chablis Grand Cru Le Clos verwechseln könnte.“
Ich will aber keinen Riesling mit einem Voignier oder einem Chablis Grand Cru verwechseln! Wenn ich Riesling trinken will, dann will ich Riesling trinken.
Einige Winzer der Region sind über den Winning-Holz-Riesling-Hype nicht sonderlich glücklich. Sie fühlen sich quasi genötigt, auch gegen die eigene Überzeugung auf dieser Welle mit zu schwimmen, um keinen Trend zu verpassen, der möglicherweise bald zum vom Kunden verlangten Standard gehört.
Dies wird – wenn überhqaupt – aber ohnehin nur für ziemlich hohe Preiskategorien gelten, da der Ausbau mit minimalen Erträgen geernteter Rieslingmoste in neuen kleinen Holzfässern eine recht kostspielige Angelegenheit ist. Natürlich werden irgendwann Billigheimer versuchen, auch bescheidene Rieslinge mit Holz zu verschandeln. Das dürfte dann aber endgültig einen Vergleich mit „Fred Astaire in Gummistiefeln“ heraufbeschwören, wie es ein Kollege formulierte. Und ich konnte mich am folgenden Tag auch davon überzeugen, dass der gute Pfälzer Spaß-Riesling offenbar noch lange nicht ausgestorben ist.