Kaiser’s Tengelmann wird zerschlagen oder: Wollt Ihr den totalen EDEKA?

Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, beginnt jetzt der große Ausverkauf. Die 471 Filialen der Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann (KT) werden meistbietend verhökert, einzeln, oder im Paket. Der Start erfolgt in Nordrhein-Westfalen, Berlin und der Großraum München werden folgen. Die Tengelmann-Gruppe vollendet damit ihren Ausstieg aus dem Lebensmitteleinzelhandel, da es über einen längeren Zeitraum nicht nicht gelingen ist, die stark defizitäre Konzernsparte in einem sich rasant oligopolisierenden Markt erfolgversprechend zu positionieren.

Befürchtet wird nun der Verlust von 8000 der insgesamt 16.000 Arbeitsplätzen bei der Lebensmittelkette. Die hätten gerettet werden können, wenn die Übernahme von KT durch die EDEKA-Gruppe wie geplant über die Bühne hätte gehen können, wird verbreitet. Schuld am Scheitern des Deals sei vor allem das Management des Konkurrenten REWE, der das Geschäft mit Erfolg gerichtlich angefochten und später eine außergerichtliche Eingung blockiert habe, heißt es weiter.

Aber stimmt das alles so überhaupt? Wären die KT-Märkte durch eine Übernahme zu retten gewesen? Hätte das dauerhaft Arbeitsplätze gesichert? Ist EDEKA in diesem Spiel der Gute und Rewe der Böse? War es lobenswert, dass Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel das vom Bundeskartellamt verfügte Verbot einer Komplettübernahme durch EDEKA mit einer „Ministererlaubnis“ aushebelte?

Nein, nein und nochmals nein lautet die klare Antwort. Und wenn man mal für ein paar Minuten die rosarot beschlagene Gewerkschaftsbrille abnimmt, kommt man auch selber drauf. Dazu ein paar Fakten

1.)Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel ist zum Einen von regionalen Überkapazitäten und zum anderen von einem rapiden Konzentrationsprozess geprägt. Die vier größten Anbieter Edeka (incl. Netto), Rewe (incl. Penny,) Aldi sowie die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) haben zusammen einen Marktanteil von 85 Prozent, EDEKA als Marktführer hat alleine alleine fast 30 Prozent , in einigen Regionen sogar deutlich mehr. Vor diesem Hintergrund war die Entscheidung des Bundeskartellamtes, die Komplettübernahme der KT-Märkte durch EDEKA zu untersagen, vollkommen richtig und auch vorhersehbar. Bereits beim Verkauf der PLUS-Discounter (die ebenfalls zur Tengelmann-Gruppe gehörten) hatte das Kartellamt eine Komplettübernahme durch die EDEKA-Tochter Netto aus wettbewerblichen Gründen verhindert.

2.) Die dem entgegenstehende Ministererlaubnis durch Gabriel war rechtsmissbräuchlich, da im entsprechenden Gesetz eindeutig festgelegt ist, dass für eine deartige Erlaubnis ,gesamtwirtschaftliche Vorteile des Zusammenschlusses die Wettbewerbsbeschränkung aufwiegen“ oder „ein überragendes Interesse der Allgemeinheit den Zusammenschluss rechtfertigt“. Beides ist nicht der Fall, wie auch das Oberlandesgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung im Juli eindeutig und schlüssig formulierte.

3.) In den Übernahmeverhandlungen, an denen auch die Gewerkschaften ver.di und NGG beteiligt waren, sicherte EDEKA zwar für fünf Jahre den Erhalt der Arbeitsplätze samt Tarifbindung für die Beschäftigten der KT -Gruppe zu. Doch dieser Schutz hätte sich nicht auf die Arbeitsplätze der originären EDEKA-Beschäftigten erstreckt. Vielmehr ging es für EDEKA um Marktbereinigung und den Ausbau der marktbeherrschenden Stellung. Es widerspricht jeglicher Logik, dass der Konzern nach der Übernahme unrentable Filialen aufrecht erhalten würde, vor allem wenn die Marktabdeckung in der jeweiligen Region Region ohnehin nahe der Sättigungsgrenze liegt oder Doppelstandorte von EDEKA und früheren KT-Märkten entstanden wären (wie es beispielsweise in etlichen großen Einkaufszentren der Fall ist). EDEKA-Beschäftigte hätten dann die Zeche für die temporäre Beschäftigungsgarantie der KT-Belegschaft zahlen müssen.

4.) Die Marktmacht von EDEKA hat bereits jetzt ein Ausmaß erreicht, das dem Konzern ermöglicht, Lieferkonditionen zu diktieren und den ruinösen Preiskampf zwischen den Anbietern weiter zu forcieren. Produzenten geraten infolge der Größenordnungen bei den Bestellungen in starke Abhängigkeit von dem Konzern, da sie den Ausfall dieser Aufträge nicht mehr kompensieren könnten. Da der Konzern die gesamte LEH-Palette vom Discounter bis hin zum gehobenen Frische- und Bedientheken-Segment anbietet, sind davon unzählige Lebensmittelproduzenten nicht nur in Deutschland betroffen. Kein vernünftiger Mensch kann einen Ausbau dieser Marktmacht befürworten, zumal sich der „Erhalt von tausenden Arbeitsplätzen“ sehr schnell als Fiktion entpuppen würde.

Vor diesem Hintergrund kann es nur noch um Schadensbegrenzung geben. Ein Erhalt aller KT-Standorte als LEH-Filialen (von wem auch immer) ist illusorisch. Viele (besonders in Nordrhein-Westfalen) sind viele zu klein für einen Filialbetrieb oder befinden sich an ungünstigen Standorten.

Für die Beschäftigten und ihre Vertreter geht es jetzt um mögliche Übernahmen durch einzelne Erwerber bzw. um Sozialpläne und Förderprogramme zur schnellen Vermittlung in neue Jobs. Alles andere ist Unfug. Ferner eröffnet der Verkauf der KT-Fillialen – wenn auch in bescheidenem Umfang – an einigen Standorten Chancen auf eine Diversifizierung des LEH-Angebots, da auch Anbieter wie Denn’s Biomarkt und die Schweizer Kette Migros einsteigen wollen – und dann auch Arbeitskräfte bräuchten.. Wer die Distribution von Lebensmitteln und die damit zusammenhängenden Arbeitsplätze den Gesetzen des Marktes entziehen will, muss sich jedenfalls schon die Mühe machen, für ein andere Gesellschaftsordnung zu kämpfen, statt einem Monopolunternehmen zu noch mehr Marktmacht zu verhelfen.

 

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