Konversation hat der künstlerische Leiter Richard William zum Motto des diesjährigen Berliner Jazzfestes erklärt. Nun kann Konversation gestelzt und langweilig sein, aber auch anregend und spannend. Beim offiziellen Start des diesjährigen Festivals am Donnerstag – es hatte allerdings schon zwei kleinere „Vorkonzerte“ gegeben – musste man allerdings einige Zeit auf spannende Konversation warten. Und das nicht nur, weil Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) in ihrer Eröffnungsrede ein paar pflichtgemäße Floskeln zur großen Bedeutung des Jazz von sich gab und ihre Bemühungen um die Förderung dieses Genres pries. Und dass man natürlich mehr junge Menschen für diese Musik begeistern müsse, was ein Blick in das Auditorium im Huas der Berliner Festspiele tatsächlich dringend angeraten erscheinen lässt.
Doch dann gab es endlich Musik, und zwar von genau der Art, die das Nischendasein des Jazz erklärlich macht. Das zweifellos mit hervorragenden Musikern besetzte Quartett der Berliner Lokalmatadorin Julia Hülsmann (Piano) bot gepflegte Langeweile für Menschen, die zum Lachen in den Keller gehen und noch nie betrunken waren. Es passierte kaum etwas, weder rhythmisch, noch harmonisch, noch solistisch. Nur die als eine Art neuer Stern am deutschen Saxofonhimmel gefeierten Anna-Lena Schnabel als Gast deutete im letzten Stück des Sets, das treffenderweise „Burnout“ hieß, an, dass auch deutsche Jazzer anständig die Kuh fliegen lassen können.
Beim zweiten Act kann man immerhin von Geschmacksfragen reden. Die norwegische Saxofonistin Mette Henriette und ihr mit Bläsern, Streichquartett, Bandoneon und Rhythmusgruppe üppig besetztes Ensemble bewegt sich irgendwo zwischen Neuer Musik und den fast schon esoterischen Elegien ihres Landsmanns Jan Garbarek, ein Eindruck der durch die eher jazzuntypische Psycho-Lightshow noch verstärkt wurde. Doch manchmal – besonders gegen Ende – ging den Stücken irgendwie die Luft aus. Dennoch: Man kann das mögen.
Dass der Abend doch noch ein erquickliches Ende fand, war dann dem alten Chikagoer Trompeten-Haudegen Wadada Leo Smith mit seinem Great Lakes Quartett zu verdanken. Beseelte Musik im Geiste von Miles Davis und den damals noch jungen freien Wilden wie Anthony Braxton. Spannungsgeladen, mal explosiv, mal meditativ, aber – und das muss für diesen Konzertabend leider hervorgehoben werden – niemals langweilig. Was bei Bass und Schlagzeug im Hülsmann-Quartett noch wie verbeamtete Rhythmusverwaltung anmutete, zelebrierren John Lindberg (Bass) und der faszinierend unberechenbar Marcus Gilmore (Drums ) als kleine, wilde Ritte durch gerade und ungerade Metren. Da wurden auf dem Bass keine schulmäßigen Changes gezupft und an den Drums keine ausgelatschten Licks aneinandergereiht; man ließ es grollen und rollen, um Bandleader Smith und dem Saxofonisten Jonathon Haffner die Basis für ihre expressiven Kaskaden zu bereiten. Das klang wie richtig gute Konversation oder auch einfach wie Jazz. Kann gerne so weitergehen.