„Konversation“ lautet das Motto dies diesjährigen Berliner Jazzfestes. Das klingt einigermaßen beliebig, weil Jazz – sofern es sich nicht um Soloauftritte handelt – ohne intensive Kommunaktion zwischen den Musikern kaum vorstellbar ist. Dass das allerdings nicht immer klappt, war am Eröffnungstag zu beobachten. Doch mit der Verpflichtung von Joshua Redman(Saxophon) und Brad Mehldau (Piano) für den Start des 2. Konzertabends im Festspielhaus hat sich der künstlerische Leiter Roger Williams auf die sichere Seite begeben. Die beiden Mitvierziger gehören seit Jahren zu den Großen ihrer Zunft und können auf mehr als zwei Jahrzehnten Zusammenarbeit in verscbiedenen Formationen zurückblicken. Beide gehören zu jener Generation US-amerikanischer Jazzmusiker , die ihr Handwerk auf renommierten Musikhochschulen erlernten und beiden steht die allgegenwärtige Jazzpolizei auch mit einer gewissen Skepsis gegenüber, weil sie sich -Satan weiche! -auch Ausflüge in die Popmusik gönnten und ohnehin mitunter recht „mainstreamig“ gebärden . Beiden ist ein gewisses Faible für eine eher elegische Spielweise eigen,, bei Mehldau kommt der Hang der Hang zu mitunter fast barock anmutenden zweistimmigen Improvisationen dazu. Doch beide können auch ordentlich zulangen.
Neue Erkenntnisse gab es am Freitag nicht, zumal sich Redeman und Mehldau sehr eng an dem vor einigen Monaten erschienenen Duo-Album „Nearness“ und früheren Duokonzerten orientierten. Dennoch war dieser knapp einstündige (und somit viel zu kurze) Auftritt ein kostbarer Moment der Klarheit und Schönheit in einer kaputten Welt. Klavier und Saxophon umspielen sich, lassen einander los, eröffnen Raum für Ausflüge in etwas songfernere Gefilden und finden immer wieder zusammen. Konversation at its best
Das gilt in gewisser Weise auch für das vor 50 Jahren von Alexander von Schlippenbach gegründete Globe Unity Orchestra. In für deutsche Verhältnisse damals unerhörter Radikalität wurde freie Musik zelebriert, was sich trotz wechselnder Besetzungen in den vergangenen fünf Jahrzehnten kaum geändert hat.
Der Auftritt am Freitag hatte den Charakter eines Klassentreffens. Von der Originalbesetzung waren außer Schlippenbach (Piano) noch der Trompeter Manfred Schoof und der Saxophonist Gerd Dudeck dabei, mittlerweile gereifte Grandseigneurs der wilden Klänge rund um die 80. Dazu gesellten sich weitere Haudegen des Genres, wie die frühere DDR-Jazzikone Ernst Ludwig Petrowsky und der polnische Trompetenpionier sowie ein Dutzend weiterer Bläser und Schlagwerker Paul Lovens und Paul Lytton.
Man geht auf die Bühne, fängt an zu tuten und zu tröten, freut sich des Lebens, und wer sich gerade berufen fühlt, geht nach vorne und soliert. Und irgendwann hört man wieder auf. Das wirkt nicht unbedingt frisch, sondern eher museal, aber die Herren zelebrieren das nicht mehr ganz so kreative Chaos mit viel Spaß und Augenzwinkern. Dem tosenden Beifall ihrer offenbar stabilen Fangemeinde können sie sich eh sicher sein. Und wem diese Musik zu anstrengend ist, der kann zumindest goutieren, dass da ältere Herren- die niemandem noch etwas beweisen müssen, eindeutig Haltung bewahren.