Wenn ein Mensch, der vor nicht allzu langer Zeit noch auf der Bühne stand, einen Tag vor seinem 92.Geburtstag an Herzversagen stirbt, gibt es keinen Grund, traurig zu sein. Vielmehr sollte man Dave Brubeck posthum dazu beglückwünschen, dass er sein Leben als großer Musiker ohne lange Leidenszeit beenden konnte.
Es gehört zu den großen Missverständnissen in der jetzt einsetzenden Würdigungswelle, dass ausgerechnet „sein“ berühmtestes Werk „Take five“ gar nicht aus seiner Feder stammt, sondern von dem Saxophonisten des Brubeck-Quartetts, Paul Desmond, komponiert wurde. Das tut der Bedeutung des großen Musikers aber keinerlei Abbruch. Wie kaum ein anderer aktueller Tonsetzer spielte er mit polytonalen und polyrhythmischen Formen, zerstörte Hör- und Spielgewohnheiten und kreierte dafür Neue – ohne dabei jemals neutönerisch-destruktiv daherzukommen. Blues? Rondo? Fuge? Kein Problem – aber warum nicht in 5/4-, 13/4- oder 11/8-Takt. Und das alles nicht als mathematische Spielerei, sondern stets mit entspanntem Groove und Swing.
Natürlich war Brubeck ein durch und durch „weißer“ Jazzer. Na und? Die Jazzpolizei ist glücklicherweise weitgehend entmachtet, und auch ein Wynton Marsalis, der als Wurzel des Jazz nur die tradierte Musik der Afroamerikaner gelten lässt, hat längst nicht mehr die Macht und Deutungshoheit früherer Jahre.
In der Frühzeit des Jazz, haben entsprechende Kapellen in New Orleans auf Beerdigungen und Trauerumzügen gespielt. Daran sollte man beim Gedenken an Brubeck anknüpfen. Und wer jetzt noch keine Schallplatte/CD von ihm hat, oder tatsächlich nur „Take five“ kennt, sollte die Gelegenheit nutzen, sich diesem großen Musiker zu nähern. Es lohnt sich, es ist Seelenhygiene, Stimmungsaufhellung und Genuss. Und Genuss ist bekanntlich Notwehr.