In Berlin ist immer was los. Während auf der Straße des 17.Juni und in anderen Locations magersüchtige Models im Rahmen der Fashion Week die neuesten Kollektionen der Modeindustrie präsentieren, laden Lebensmittelkonzerne und Bauernverband zur größten Verbraucher-Fressmesse Europas, der „Grünen Woche“ in den Messehallen am Funkturm. Zwischen Häppchen, vermeintlichen Schnäppchen und simuliertem „Bauernhof-Feeling“ wird in diesem Jahr auch eine Innovation in Sachen Verbrauchertäuschung präsentiert. Es geht um die neue Kennzeichnung für vermeintlich artgerecht erzeugtes Hühner- und Schweinefleisch.
“Das neue Tierschutzlabel garantiert verlässliche Kriterien. Das Label sorgt für mehr Transparenz und erleichtert den Verbrauchern die Auswahl. Gleichzeitig hilft es Erzeugern, sich durch besonders hohe Tierschutzstandards einen wichtigen Markt zu erschließen”, sagte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner am Mittwoch in Berlin. Für entsprechende Glaubwürdigkeit soll der Deutsche Tierschutzbund sorgen, den man für das Label mit ins Boot geholt hat.
Man muss sich allerdings fragen, warum der sich dafür hergibt. Für die Zertifizierung ist weder die Aufzucht im Freiland oder auch nur gelegentlicher Aufenthalt auf Freiflächen vorgeschrieben. Auch gentechnisch verändertes und pestizidbehandeltes Futtermittel darf weiterhin verwendet werden. Die Restriktionen betreffen bei Schweinen lediglich die Kastration, die nicht mehr ohne Betäubung vorgenommen werden darf, die Dauer von Transporten und die Kappung der Schwänze. Bei Hühnern wird das Tempo der Gewichtszunahme begrenzt. Kein Wunder, dass Fleischkonzerne wie VION bei der Initiative mitarbeiten und der berüchtigte Geflügelmastkonzern Wiesenhof ebenfalls ganz begeistert ist. Man kann schließlich künftig für genfood-gemästete Hühner, die in Massentierhaltung mit über 30 Tieren pro Quadratmeter aufgezogen werden, ein „Tierschutzlabel“ erhalten und im Handel entsprechend höhere Preise erzielen, die Rede ist von 30 Prozent Aufschlag. Eine klassische win-win-Konstellation: Die Konzerne machen mehr Profit und die Verbraucher können ein wenig gutes Gewissen käuflich erwerben.
Was man dagegen machen kann? Wenig. Zunächst einmal anders essen: bewusster, regionaler, saisonaler und ausgewogener. Oder vielleicht auch auf die große Demo „Wir haben es satt“ am Sonnabend vom Hauptbahnhof zum Reichstag gehen. Und danach was Anständiges kochen und einen guten Wein dazu trinken. Denn Genuss ist bekanntlich Notwehr.
Apropos Wein: Derzeit beschäftige ich mich aus gegebenem Anlass erneut mit der Frage, ob es schwäbische Winzer gibt, die es tatsächlich schaffen, aus der Rebsorte Trollinger so etwas wie Wein zu machen. Zur Beantwortung habe ich mir diverse Proben schicken lassen. Ich bin gespannt und werde berichten