II. “Ein bisschen jammen reicht nicht”

Einen Tag vor der offiziellen Eröffnung des Berliner Jazzfest gab es am Mittwoch abend noch ein Warm-up in Form einer Podiumsdiskussion und einer Filmvorführung im Festspielhaus. Natürlich ging es erneut um Afrika. Die Diskutanten beklagten den latenten Rassismus in Deutschland, die verzerrte Wahrnehmung des Kontinents, den Eurozentrismus in der Kulturrezeption und die nivellierende Wirkung der „World Music“-Welle. „Offenheit und Respekt“ forderte der künstlerische Leiter des Jazzfestes, Bert Noglik, denn „ein bisschen jammen mit afrikanischen Musikern reicht nicht“.  Der Pianist Hans Lüdemann, der seit Jahren mit westafrikanischen Musikern zusammen arbeitet, wandte sich gegen den Begriff „afrikanische Kultur“. Das sei ungefähr so, als wenn man einen bulgarischen Frauenchor und eine britische Heavy-Metal-Band unter europäische Kultur subsummieren würde.

Wie man sich als Musiker mit großer Offenheit und Ernsthaftigkeit einer fremden Kultur annähern kann, demonstrierte der anschließend gezeigte Dokumentarfilm Transmitting. Die Filmemacher Christoph Hübner und Gabriele Voss begleiteten den deutschen Pianisten und Saxofonisten Joachim Kühn, den marokkanische Sänger und Guembri-Spieler Majid Bekkas und den spanische Schlagzeuger Ramon Lopez auf einer vierwöchigen Reise nach Marokko. In einem kleinen Studio in Rabat entwickeln die drei Musiker von der örtlichen Atmosphäre inspirierte Stücke und fahren schließlich in die Wüste, um in die faszinierende Welt der lokalen Grooves einzutauchen. Es sind großartige Bilder und Klänge von Begegnungen voller gegenseitiger Neugier und allmählich wachsendem Verständnis.

Joachim Kühn und sein Trio auf dem Weg in die Sahara.
Quelle: Christoph Hübner

Kühn beschrieb das Feeling vor drei Jahren in einem Interview: „Majid Bekkas aus meinem Trio kennt ja alle Musiker in Marokko, und mit einigen haben wir uns dann in Source Bleue, das ist eine Oase in der Sahara, getroffen. Wir hatten kaum guten Tag gesagt, da fing der eine schon an zu trommeln. Wir stiegen ein, ich holte das Saxophon aus dem Auto und dann ging gleich eine Session los, es war einfach ein gutes Feeling. Wir haben uns noch ein bisschen unterhalten und für den nächsten Tag für die Aufnahme bei uns im Hotel verabredet. Der Besitzer hat uns eine nicht genutzte Bar zur Verfügung gestellt, da haben wir alles aufgebaut, dann aufgenommen“.

 Ergebnis dieser Reise war unter anderem die CD „Out of the Desert“. Doch wer diese Einspielung in all ihren Dimensionen und Facetten verstehen will, sollte sich „Transmitting“ keineswegs entgehen lassen. Der Film wird ab Dezember in einigen Kinos laufen und auch auf DVD veröffentlicht. Und dass das für Kühn und sein Trio alles keine Eintagsfliege war, sondern Teil einer intensiven Auseinandersetzung mit den Grooves der Region, wird heute abend  beim Eröffnungskonzert des Jazzfestes demonstriert werden, wenn die „Africa Connection“ mit  Pharoah Sanders als Gast das „Gnawa Jazz Voodoo“-Projekt zelebriert. Davor spielt noch die Formation des Trompeters Christian Scott, der mit seiner “Stretch Music” seine afrikanischen Wurzeln und die Sounds seiner Heimat New Orleans verarbeiten will.  Das Konzert wird auch ab 20 Uhr im Deutschlandradio Kultur übertragen, und kann dort mit dem (kostenlosen) digitalen dradio-Rekorder auch mitgeschnitten werden.


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