Es hatte durchaus etwas Nostalgisches, als ich am Sonntag das Spitzenspiel der Regionalliga Nordost im Poststadion besuchte. Vor knapp 2000 Zuschauern unterlag die nach Hertha und Union „dritte Kraft“ des Berliner Fußballs, der BAK 07, der TSG Neustrelitz mit 0:2 und kann die Ambitionen auf den Aufstieg in die 3. Bundesliga wohl bereits zu diesem frühen Saisonzeitpunkt begraben. Die äußerst konfus agierende Abwehr des BAK kassierte die beiden Tore bereits in der 1. Halbzeit. Nach dem Seitenwechsel erhöhten die Moabiter den Druck, konnten aber außer einem Lattentreffer und zwei weiteren Großchancen nichts Zwingendes entwickeln. Insgesamt wirkten die von dem ehemaligen Bundesliga-Profi und Nationalspieler Thomas Brdaric trainierten Neustrelitzer vor allem taktisch wesentlich reifer.
Das konnte ich verschmerzen, doch trauriger ist der Zustand der in einem wunderschönen Park mitten in der City gelegenen Sportanlage, die Ende der 1920er Jahre auf einem ehemaligen Exerziergelände errichtet wurde.
Wo einst bis zu 50.000 Zuschauer Länder- und Endspielen um deutsche Meisterschaften beiwohnen konnten, sind nur noch ein paar provisorisch hergerichtete Sitz- und Stehplatzareale vorhanden, der Rest ist regelrecht bewaldet, Flutlichtanlage und Anzeigetafel kann man nur noch auf alten Fotos bestaunen. Bis in die 1990er Jahre wurde das Stadion dem Verfall preisgegeben, auf den Rängen wuchsen Sträucher und kleine Bäume. Seitdem wurden nur partielle Renovierungen durchgeführt. Das zu dem großzügigen Parkgelände gehörende Freibad – in dem ich als Kind viele Stunden verbrachte und auch meinen „Jugendschwimmschein“ erwarb – ist längst geschlossen, ein neues wird trotz nachgewiesenen Bedarfs in dem dicht besiedelten Altstadtkiez Moabit nicht entstehen.
Zu lange waren der Park und das Stadion vom Zentrum Berlins an den Rand gedrückt worden. Durch die Mauer war der Kiez von der Innenstadt abgeschnitten und gehörte zu den hässlichsten und verwahrlosesten Ecken Westberlins. Hochfliegende Pläne, das Stadion im Zuge der gescheiterten Bewerbung Berlin für die Olympiade 2000 wieder in altem Glanz erstrahlen zu lassen, erwiesen sich als Luftschlösser. Möglicherweise verhinderte nur der Denkmalschutz einen endgültigen Abriss. Immerhin: Die diversen Wettkampf- und Trainingsanlagen, die Turnhalle, die Rollschuhbahn und auch ein Kinderbauernnhof mit vielen Freizeitangeboten blieben im Park erhalten oder wurden neu geschaffen.
Doch das Stadion blieb im Dornröschenschlaf. Das nunmehr existierende Provisorium hat allerdings einen gewissen Charme. Der halbprofessionelle BAK 07 bemüht sich nach Kräften, ein bisschen Atmosphäre zu schaffen. Das Publikum ist eine sympathische Mischung aus „alten“ Moabitern und türkisch-stämmigen Anwohnern und Fans. An zwei Buden kann man sich für wenig Geld mit türkischer Pizza, Bratwurst und Bier stärken, im Pressebereich gibt es Kaffee und Kuchen. Alles, von der Eingangskontrolle bis zum „VIP-Bereich“ auf der Tribüne, wirkt angenehm unaufgeregt und ein bisschen improvisiert. Irritierend allenfalls der freie Blick auf eine direkt nebenan befindliche Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Plötzensee, ein ummauerter, bedrückend wirkender roter Backsteinbau.
Das Umfeld hat sich in den vergangenen Jahren rapide geändert. Der Fritz-Schloß-Park und das Stadion müssten eigentlich längst eine Top-Location sein, schließlich ist der neue Hauptbahnhof nur wenige Gehminuten entfernt und rundherum tobt die Aufwertung. Doch auch den meisten Berlinern dürfte dieses innerstädtische Schmuckstück weitgehend unbekannt sein. So wird das Stadion wohl weiterhin in einer Art Wachkoma verharren. Doch ein Besuch lohnt sich auf alle Fälle. Vielleicht gelingt dem recht ambitionierten, multikulturellen BAK irgendwann tatsächlich der Aufstieg in die 3. – oder gar 2. Bundesliga, denn dann müsste das Stadion umfassend ausgebaut und modernisiert werden.