Kann man Trotzkisten in der Küche trauen?

Trotzkisten bin ich schon immer mit einer gewissen Skepsis begegnet. Zwar habe ich das soft-stalinistische Weltbild meiner Jugend schon lange hinter mir gelassen, doch die Jünger des wohl prominentesten Eispickel-Opfers der Geschichte sind mir immer noch suspekt. Nehmen wir Lucy Redler, die einst als Jeanne d’Arc der sozialen Bewegungen in Berlin im Wahlkampf  2006 für Furore sorgte, um anschließend nach jahrelanger würdeloser Bettelei im Schoß der sozialdemokratischen Linkspartei zu landen. Und jetzt kämpft sie auch noch an vorderster Front für ein asoziales Volksbegehren gegen den Bau bezahlbarer Wohnungen am Rand des Tempelhofer Feldes. Oder der von mir bereits des Öfteren auf diesem Blog erwähnte trotzkistische Bürokrat. Der verfügt zwar in linken Wirtschaftsfachkreisen über ein gewisses Ansehen, verschreckt aber seine Genossen und Freunde regelmäßig mit inferioren Auftritten am Herd und am Weinregal.

Das war auch am Sonnabend zu befürchten, als der Bürokrat zu Speis und Trank in sein Domizil lud. Für mich ohnehin ein harter Tag, denn zuvor wohnte ich der  Mitgliederversammlung des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) bei. Derartige Veranstaltungen sind definitiv nicht vergnügungssteuerpflichtig und machen vor allem Hunger.

Sicherheitshalber hatte ich mich auf dem Weg zum Bürokraten im Gourmettempel Galeries Lafayette mit zwei Terrinen bevorratet und auch eine anständige Flasche Wein im Gepäck, da ich mich mit Schaudern an gewisse zerfaserte Putenbruststreifen, gemeuchelte Lammkoteletts und abstruse portugiesische Spätburgunder erinnerte.

Was bitte haben derartige Erzeugnisse bei einem gepflegten Menü zu suchen?

Doch meine Befürchtungen waren weitgehend unbegründet. Zwar bedurfte es einiger entschiedener Interventionen in der Küche, um grobe handwerkliche Fehler bei der Zubereitung eines Pilz-Risottos und der Zanderfilets zu verhindern, aber was der Trotzkist dann letztendlich servierte war – ich muss es zugeben – absolut amtlich! Auch die Bruschetta, die Nachspeise und die Käseauswahl genügten durchaus leicht gehobenen Ansprüchen. Nicht verschwiegen werden sollte allerdings, dass der Bürokrat neben qualitativ hochwertigen Zutaten auch auf Fertigback-Weißbrot und gefrorene Petersilie zurückgriff. Das, lieber Genosse, geht allerdings gar nicht!

Licht, Schatten und kleinere Kontroversen gab es beim Wein. Der von mir in diesem und anderen Blogs hoch gelobte Müller-Thurgau vom Moselweingut Arns stieß auf ungeteilte Begeisterung und wurde spontan geordert. An einer bulgarischen Weißwein-Cuvée aus mir vollkommen unbekannten örtlichen Rebsorten schieden sich dann die Geister. Bei den anwesenden Damen stieß der etwas kantige, pralle und mit recht derber Frucht ausgestattete Tropfen auf wenig Begeisterung. Ein bürgerlich-liberaler Journalistenkollege kam – mit meiner vollen Zustimmung – dagegen zu dem Urteil, dass derartige Weine angesichts des allgegenwärtigen mineralischen, geschliffenen Zeugs aus Deutschland mal eine angenehme Abwechslung seien.

Beim Rotwein ein ähnliches Bild. Ein vor Ort lächerlich billiger, aber hierzulande leider nicht erhältlicher bulgarischer Shiraz überzeugte mit klarer, dezenter Kirschfrucht und ganz sanften Holznoten. Ein Absturz dagegen ein erneuter Spätburgunder aus Portugal, diesmal im Cuvée mit Touriga Nacional. Dieser vollkommen unsinnige 22-Euro-Wein ballert zunächst den Gaumen mit Holz und reifen roten Früchten zu, um dann schlagartig im Nichts zu verrieseln. Daher eine letzte Mahnung an den Trotzkisten: FINGER WEG VON PORTUGIESISCHEM SPÄTBURGUNDER!!

 Bleibt dennoch das Fazit, dass der trotzkistische Bürokrat – nicht zuletzt auf Grund meiner stetigen gütigen Unterweisung und der solidarischen Kritik – erhebliche Fortschritte auf seinem Weg aus der sozialdemokratischen Fritten-Bratwurst-Pils-Hölle gemacht hat. Weiter so, möchte man rufen, aber auch: Nie wieder Fertigbackbrot und nie wieder gefrorene Petersilie.

    

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.