Es ist wieder so weit. Ab dem kommenden Donnerstag werden frankophil gestylte Plakate und Tischkärtchen ankündigen: “Voila, Le Beaujolais Primeur est arrivé”. Und bereits jetzt sind die Trittbrettfahrer dieses Geschmacksverbrechens unterwegs. Selbst seriöse Weinhändler kapitulieren vor dem schlechten Geschmack ihrer Kunden und bieten allerlei “Primeurs” und unter “Novello”, “Nuevo” oder “Early” firmierende Nachahmerprodukte aus Italien, Spanien, Südafrika und inzwischen auch Deutschland an. Das Zeug schmeckt bestenfalls nach nichts, aber in den meisten Fällen ziemlich eklig. Durch Vergärung im Schnellgang (vier Tage) nebst reichlich Kohlensäurezufuhr und Erhitzung enthalten diese „Rotweine“ weder typische Aromen noch Tannine, dafür aber oft jede Menge scharfer Zitrusnoten und Bitterstoffe. Oft schmecken Primeurs vordergründig nach unreifer Banane und Schwefel, und schon nach wenigen Wochen Lagerung kommt ein furchtbarer Essigstich dazu. Nach dem Verzehr sind die Kopfschmerzen fast so schlimm, wie beim Federweißen.
Seit 1951 gibt es diesen Unfug. Dafür änderten die ansonsten in Genussfragen recht traditionsbewussten Gallier sogar ihr Weinrecht und erlaubten den Winzern des Beaujolais, ihren neuen Wein schon ab dem dritten Novemberdonnerstag des Lesejahres in den Handel zu bringen. Dass damit der Ruf dieser Weinregion nachhaltig ruiniert wurde, hat man offenbar in Kauf genommen. Zur Kompensation des Imageverlustes gab es ja immerhin Millionen bekloppter Japaner, Deutscher, US-Amerikaner, Briten und Skandinaver (so die Reihenfolge der Hauptabnahmeländer), die Jahr für Jahr bis zu 50 Millionen Liter dieser Plörre in sich reingossen. Doch allmählich scheint der Lack ab zu sein. Erstaunlicherweise wollen ausgerechnet die Deutschen, denen man anscheinend ja fast alles schmackhaft machen kann, dieses Zeug nicht mehr trinken. Wurden 1998 hierzulande noch über 11 Millionen Flaschen abgesetzt, was fast 20 Prozent der gesamten Exportmenge entsprach, waren es zehn Jahre später nur noch 1,7 Millionen. Selbst Wein-Marktführer Aldi ist mittlerweile aus der Primeur-Vermarktung ausgestiegen.
Primeur-Trinkern ist in der Regel nicht mehr zu helfen. Im Vergleich zur Teilnahme an Angriffskriegen, dem Handel mit Derivaten oder dem Bau von Atomkraftwerken ist ihr Vergehen allerdings vergleichsweise gering. Aber sie sollten konsequent sein. Allen Freunden turbovergorener Pseudoweine mit Bananengeschmack sei hiermit ein Supergetränk empfohlen. Eine Firma namens TSAG OHG bietet seit Jahren erfolgreich eine Mischung aus Rotwein und Cola namens „Kalte Muschi“ an. Dafür wurde laut Lebensmittelzeitung auch Dornfelder verwendet – endlich eine angemessene Verwertung dieser Rebsorte! Dieses Gesöff wurde zeitweilig auch als “offizielles Kaltgetränk des FC St.Pauli“ vermarktet, bis Fanproteste diesem Unfug ein Ende machten.
Der Primeur-Schwachsinn dauert glücklicherweise nur ein paar Wochen. Aber es droht bereits die nächste Weinseuche. Ab dem 1.Advent wird man flächendeckend mit Glühweingestank belästigt. Doch das ist eine andere Geschichte.
….mal wieder so ein arrogantes Arschloch…..lasst die Leute trinken, was sie wollen, wenn es ihnen schmeckt…
Natürlich kann jeder essen und trinken, was er will. Aber wird ja wohl noch darauf hinweisen dürfen, dass bestimmte Weine – unabhängig vom individuellen Geschmack – schlicht minderwertig sind. Jeder, der Wein mag, hat etwas Besseres verdient als diesen gehypten Primeur-Schrott, und da gebe ich auch gerne Tipps, besonders im unteren Preissegment. Was bitte ist daran arrogant?
Ertappt! Du hast in deiner Kommentarantwort Primeur als “Wein” bezeichnet.