Schämt Euch, ihr Billigfleischfresser

 

Berlin ist eine komische Stadt. Während sich in großen Zelten nahe des Brandenburger Tors noch magersüchtige Models auf der Fashion Week zur Schau stellen, strömen ein paar Kilometer weiter westlich eher fettleibige Hauptstädter und Touristen zur „Grünen Woche“ , der größten Agrarmesse in Europa. Es ist die große Selbstbeweihräucherungsshow der Agroindustrie und ihrer Lobbyisten in der Bundesregierung, garniert mit ein paar Häppchen und Schnäppchen für’s Volk und ein bisschen „Bio“- und „Naturschutz“-Kosmetik . Ich gehe da schon seit Jahren nicht mehr hin, es ist schlicht die HÖLLE und macht ziemlich schlechte Laune.

Im Vergleich zu den Hunderttausenden, die bei der Messe erwartet werden, wird sich die Teilnehmerzahl der ebenfalls bereits traditionsreichen Wir haben es satt“-Demonstration am Sonnabend verschwindend gering ausnehmen. In einem Land, in dem der Konsum von möglichst viel billigem und schlechten Fleisch als eine Art Kulturgut und Wohlstandindikator gilt, kann man auch nichts anderes erwarten. Dabei brennt es lichterloh. Das derzeit verhandelte Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen den USA und der EU wird die Scheunentore für gentechnisch manipuliertes Getreide und hormonverseuchtes Fleisch weit öffnen. Die Förderpolitik der EU und der Bundesregierung blockiert den weiteren Ausbau der ökologischen Landwirtschaft zugunsten der Nutzung von Agrarflächen für den Maisanbau zur„Biosprit“-Herstellung. Zahlen gefällig? Ein Hektar Fläche für Biosprit-Pflanzen wird mit 2000 Euro gefördert, ein Hektar Ökolandbau mit maximal 180 Euro. Natürlich können sich Ökobauern unter diesen Umständen die stetig steigen Pacht- und Kaufpreise für Agrarflächen nicht mehr leisten.

Doch das ist nicht alles: Die massiven Exporte von Lebensmitteln in viele arme Länder führen unmittelbar dazu, dass den dortigen Kleinbauern die Existenzgrundlage genommen wird. Und unsere Gier nach billigem Fleisch sorgt dafür, dass in vielen Teilen der Welt für den Anbau von Futtermitteln Wälder gerodet oder bestehende Agrarflächen der örtlichen Versorgung entzogen werden. Darf’s ein bisschen plakativer sein? Wer Schrott-Schnitzel für 3,49 pro Kilo im Supermarkt kauft, funktioniert sich nicht nur zum Müllschlucker um, sondern verhält sich auch komplett asozial. Und das gilt auch dann, wenn er wenig Geld hat. Auch ein Hartz-IV-Bezieher hat nicht das Recht, seine schlechten Essgewohnheiten auf Kosten des Restes der Menschheit auszuleben.

Die Demo, die um 11 Uhr am Potsdamer Platz beginnt und vor dem Bundeskanzleramt enden soll, wird bunt, laut und lustig sein. Bewirken wird sie nichts. Solange wir unsere Einstellung zu und den Umgang mit Lebensmitteln nicht grundlegend ändern, hat die Agrar-Mafia freie Fahrt. Und wenn besagtes Freihandelsabkommen – für das sich derzeit kaum jemand interessiert -tatsächlich in Kraft treten sollte, werden auch die Reste nationaler Souveränität in Lebensmittel- und Verbraucherschutzfragen weitgehend der Vergangenheit angehören.

So, jetzt höre ich auf und kaufe ein paar Bio-Linda-Kartoffeln aus Brandenburg. Und natürlich gehe ich morgen zu der Demo. Irgendwie muss man ja mal anfangen.

 

 

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