Karlsruher Spaßrichter

 

Eigentlich wollte ich die Wahlen zum Europäischen Parlament komplett ignorieren. Die Straßburger Schwatzbude ist in erster Linie ohnehin nur ein Zwitter aus einem Endlager für abgehalfterte Politiker, einer Tribüne für Karrieristen und einem Refugium für nationalistische Wahnsinnige. Dass dort auch ein paar aufrechte Linke und Kritiker der neoliberalern EU-Politik sitzen dürfen, ist nicht mehr als Feigenblatt. Alle wesentlichen Entscheidungen fällen die EU-Kommission bzw. die Ministerräte. Und das letzte Wort hat angesichts der ökonomischen Machtverhältnisse ohnehin Mutti in Berlin.

 

Genau aus diesem Grund hat jetzt das Bundesverfassungsgericht die Sperrklausel für die Europawahlen gekippt. Künftig müssen Parteien in Deutschland also nicht mehr mindestens drei Prozent der Stimmen erhalten, sondern nur noch so viele, wie rechnerisch für ein Mandat notwendig sind. Bei 96 deutschen EU-Abgeordfneten sind das exakt 1,041666667 Prozent. Oder anders gerechnet rund 250.000 Stimmen, wenn man von einer Wahlbeteiligung von 40 Prozent ausgeht.

 

Es ist daher damit zu rechnen, dass außer den Bundestagsparteien sowie AFD und FDP mindestens auch die Piraten ein oder zwei Mandate abgreifen. Auch Freie Wähler und die NPD haben gute Karten. Selbst meine Freunde von der PARTEI könnten angesichts der gecancelten Prozenthürde einen Mann nach Straßburg entsenden. Möglicherweise reüssieren ja sogar Tierschützer, bibeltreue Christen oder sonst wer. Auf alle Fälle dürfte der Wahlkampf etwas intensiver und – wenn man die Nazis mal ausklammert – auch lustiger werden als sonst. Und wer weiß: Vielleicht ist bei den nächsten EU-Wahlen im Jahr 2019 dann sogar die Zeit reif für eine Genuss-ist-Notwehr-Partei mit beinhartem genuss-, verbraucher-, sozial- und kulturpolitischem Profil. Eventuell stünde ich sogar als Spitzenkandidat zur Verfügung, denn in Straßburg und Umgebung kann man sehr gut essen und trinken.

 

 

Aber wirklich wichtig ist das alles nicht. Zumal heute abend Schalke gegen Real Madrid spielt.

 

 

 

2 Gedanken zu “Karlsruher Spaßrichter

  1. Lieber Herr Balcerowiak,

    wir warten dringend auf eine Weinempfehlung: Was trinkt man, wenn der eigene Verein 1:6 untergeht? Reicht ein Reparaturwein? Soll man Alkoholbomben aus Australien trinken? Tut es der Billig-Wein vom Aldi zu 1,99 Euro die Flasche – weil eh alles egal ist? Oder nimmt man doch lieber 2 Liter Gazprom-Wodka?

    Wie also sah ihr gestriger Abend aus?

    Neugierig,
    C. Thomas + C. Ronaldo

    • Ganz schlechtes Bier war ab der 2.Halbzeit das Getränk der Wahl. Aber wirklich gaaanz schlechtes