Er werde „spielen bis zum Umfallen“, sagte mir Joachim Kühn vor ein paar Jahren in einem Interview. Und es ist ein großer Gewinn für für den Jazz – ach was, für die ganze Welt – das er noch nicht umgefallen ist.
Heute begeht Kühn seinen 70. Geburtstag. Und natürlich arbeitet der rastlose Wanderer durch die musikalischen Galaxien schon längst an einem neuen Projekt, diesmal mit seinem Bruder Rolf. So nebenbei nahm er eine eine sehr freie CD mit dem russischen Saxophonisten Alexey Kruglov auf, und natürlich geht die Arbeit mit seinem Trio weiter.
Kühn gehört zu jenen Pianisten, die nicht nur über großartige Spieltechnik verfügen. Er hat seinen eigenen Sound, seinen eigenen Groove und seine eigene Tonsprache, die jenseits der gängigen Dur-Moll-Tonalität mit verminderten und übermäßigen Akkorden operiert.
Doch ich will hier kein Musikseminar abhalten. Sondern einem großen Musiker und äußerst offenen und sympathischen Zeitgenossen zum Geburtstag gratulieren. Einem, der nicht etwa auf der Suche nach neuen Klängen und Grooves ist, sondern sie einfach findet. O-Ton Kühn: „Ich suche gar nicht erst, weil das Zeitvergeudung ist. Es ist bei mir wirklich so: Ich laufe am Strand lang, und die Ideen kommen zu mir. So war das mit dem Trip zu den Wüstenmusikern, so war das mit der Big Band. Aber wie gesagt, das ist jetzt abgeschlossen. Ich denke schon ans nächste Jahr und will unbedingt in Schwarzafrika Aufnahmen machen, in Mali. Und wahrscheinlich auch nochmals in Nordafrika“.
Kühn ist ein Weltmusiker. Nicht einer von denen, die irgendwelche Versatzstücke aus verschiedenen Kulturen zusammenmanschen, sondern einer, der universell denkt und spielt und dabei immer neue Schnittmengen mit anderen Musikern und anderen Kulturen findet. Einer der Johann Sebastian Bach als Urvater der Improvisation begreift und Ornette Coleman, Pharoah Sanders oder Archie Shepp als Exponenten tiefer musikalischer Spiritualität. Einer der im Zusammenspiel mit dem Thomanerchor genauso aufmerksam und respektvoll agiert wie in Sessions mit marokkanischen Wüstentrommlern. Natürlich wird er spielen bis zum Umfallen, er kann gar nicht anders. Und er wird ganz bestimmt noch viel finden, ohne zu suchen.