Ich hab den Jahreswechsel am 29./30. März gut überstanden. Kein Zeitumstellungs-Jetlag, sondern gute Laune, weil es abends länger hell ist. In Wandlitz ist das Salat-Frühbeet fertig, Kohlrabi ist auch schon gesetzt, der Bärlauch kriecht unter dem Sand hervor, die Beerensträucher fangen an zu sprießen. Sogar die ersten Spargelverkäufer sind bereits da.
Das Leben könnte also einigermaßen schön sein. Wenn einem gewisse politische Ereignisse nicht auf den Magen schlagen würden. So ist es kaum zu begreifen, dass ein offensichtlich korrupter Autokrat wie Erdogan für seine Gewaltorgien gegen Demonstranten am Taksim-Platz, für die Abschaffung der unabhängigen Justiz und die Zensur des Internets auch noch mit einem Wahlsieg bei den Kommunalwahlen belohnt wird. Oder das den zu Recht von Hollande und der “sozialistischen” Regierung enttäuschten Franzosen nichts Besseres einfällt, als ebenfalls bei Kommunalwahlen scharenweise nach rechts abzubiegen. Demokratie macht manchmal keinen Spaß.
Bei uns kotzt mich wieder mal die wirtschaftsaffine Presse an. Derzeit streiken die Lufthansa-Piloten für den Erhalt ihrer Altersversorgung. Das ist nicht nur ihr gutes Recht, sondern es sollte ein Vorbild für viele abhängig Beschäftige sein. Die haben leider nicht solche Durchsetzungsmacht wie Piloten oder auch Lokführer. Und prompt heulen die ganzen neoliberalen Scheißer auf, labern von “Erpressung” und “Geiselhaft” und fordern vehement, das im Grundgesetz verbriefte Recht auf Gewerkschaftsfreiheit für Spartengewerkschaften abzuschaffen. Dabei finden sie auch noch Unterstützer in der DGB-Spitze und bei unserer Bundesregierung sowieso. Widerlich!
Andere Widrigkeiten sind da eher marginal. So nerven mich die meisten der Verkostungsweine, mit denen ich derzeit zu tun habe. Was so manch nobles VDP-Gut da als “Gutsriesling” anbietet ist schlicht einer Unverschämtheit: Unsaubere Weine aus offenbar fehlerhaftem Lesegut für unverschämt viel Geld. Und auch die vielen teuren, auf 14,5 Prozent Alkohol aufgeblasenen Rotweine, die mit viel zu viel Holzgeschmack verunstaltet wurden, um fehlende Finesse und Frucht zu kaschieren, gehen mir auf den Sender.
Aber es gibt auch Lichtblicke: Politisch machen mir die örtlichen Mieterinitiativen in meinem Kiez Moabit viel Freude. Wir sind zunehmend präsent, sowohl auf der Straße als auch bei Veranstaltungen mit Investoren und Amtsvertretern und finden viel Zuspruch für unseren Widerstand gegen die Gentrifizierung unseres Kiezes.
Auch beim Wein kann man Positives vermelden. In diesem Jahr scheint es deutlich einfacher als 2013 zu sein, gute, preiswerte Rosés aufzutreiben, die nicht penetrant nach Brausepulver und Himbeersirup schmecken. Ich werde berichten
Es haut mich immer wieder um, wie unhistorisch mit der Einheitsgewerkschaft als Lehre aus dem Faschismus umgegangen wird. Du jubelst in deinem blog schon des Öfteren kleine Spaltergewerkschaften hoch, die sich durch ihre priviligierte Jobs leichter Vorteile NUR FÜR SICH aushandeln können, da sie keine Rücksicht auf Kollegen und Kolleginnen in prekäreren Jobs nehmen müssen.
Bei aller Kritik an den Spezialdemokraten und Vetternwirtschaft im DGB: Schaut man sich die anderen Länder in Europa an, muß man feststellen, dass der Einfluß der Gewerkschaften wesentlich kleiner ist als in Deutschland. Klar wünsche auch ich kämpferischere Gewerkschaften, aber der Schluß daraus ist, sich innerhalb der Einheitsgewerkschaften zu engagieren und nicht bei den Spaltern.
Natürlich ist die Einheitsgewerkschaft eine Lehre aus dem Faschismus und eine positive Entwicklung gewesen. Aber warum sind denn denn die von Dir so beschimpften “Spaltergewerkschaften” so stark geworden? Weil die Führungen der DGB-Gewerkschaften – besonders der ÖTV und später ver.di, aber auch Transnet – der Privatisierung der ehemaligen Staatsunternehmen wohlwollend zugeschaut haben und sich gegen den dann folgenden Abbau der sozialen Standards nicht gewehrt haben. Es ging denen doch nur um Ko-Mangement für den Sozialabbau. Es ist sehr gut, dass sich das nicht alle Betroffenen bieten lassen. Und der DRuck der Spartengewerkschaften hat auch dazu geführt, dass sich die DGB-Vereine mitunter kämpferischer geben müssen. Es spricht allerdings für sich, dass es jetzt ein Kartell aus SPD, Unternehmerverbänden und DGB-Spitze ist, welches die KOalitionsfreiheit – eines der zentralen Rechte der Arbeiterbewegung – einschränken will Noch ne Frage: Wann hat sich der DGB jemals ernsthaft um Menschen in prekären Jobs gekümmert?