Ostern – eine Verschwörungstheorie

 Eine der historisch bedeutsamsten Verschwörungstheorien ist zweifellos die Passionsgeschichte. Demnach ließ vor einiger Zeit ein finsteres Bündnis aus römischen Besatzern und jüdischem Klerus unter Umgehung des geltenden Rechts einen jungen Wanderprediger unter Missachtung des geltenden Rechts zunächst inhaftieren, dann foltern und schließlich hinrichten. Doch der junge Mann schlug demnach den Mächten der Finsternis ein Schnippchen und verließ nach einigen Tagen sein Grab, um zu seinem Vater im Himmel zu flüchten. Seitdem warten einige hundert Millionen Menschen auf seine Wiederkehr.

 Das ist natürlich vollkommen irre, hat aber im Laufe der Jahrhunderte immer wieder als ideologische Grundlage für Judenverfolgung bis hin zu Pogromen getaugt. Zudem gehört der ganze Passionsquatsch auch zu den Grundpfeilern der christlichen Ideologie. Die lässt sich nach wie vor prima vermarkten und nährt unter anderem einen riesigen parasitären Apparat von „Gottesdienern“.

 Diese rufen Jahr für Jahr zu Demos auf, die sich dann Karfreitagsprozessionen nennen. Natürlich ist das durch das Prinzip der Glaubens- und Meinungsfreiheit gedeckt, aber warum ein Gregor Gysi meint, sich an derartigem Mummenschanz beteiligen zu müssen, ist schwer nachvollziehbar.

 Das sind aber wahrlich nicht die einzigen Geisterfahrer, die zu Ostern unterwegs sind. Während die traditionellen Ostermärsche der (west)deutschen Friedensbewegung leider kaum noch Beachtung finden, ist seit einigen Wochen ein obskures Konglomorat aus naiven Friedensfreunden, Esoterikern, Verschwörungstheoretikern, Rechtspopulisten und Antisemiten unterwegs, um sich einer anderen Tradition zu bedienen, den Montagsdemonstrationen. Die haben eine wechselvolle Geschichte. Es begann mit dem geballten Frust vieler DDR-Bürger über ihren Staat, setzte sich später als ziemlich breite Bewegung gegen die Hartz-IV-Gesetze fort und verläpperte schließlich zu einer Art Sektenritual der MLPD.

 Jetzt gibt es also wieder Montagsdemos, zunächst angedockt an die Auseinandersetzungen in der Ukraine und mittlerweile als eine Art Rundumschlag gegen „die Herrschenden“ positioniert. Zu den Protagonisten gehört eine Hacker-Gruppe namens ‘Anonymous’, die unter anderem zum Kampf gegen Tabuthemen, Geschichtsfälschung, Gehirnwäsche und Masseneinwanderung aufruft, Deutschland für „ein besetztes Land“ hält und Feministen und Schwule für Vorboten des Untergangs. In einem Video heißt es schlicht in nur wenig verklausuliertem Nazi-Sprech: „Die Korrupten fürchten uns. Die Ehrlichen unterstützen uns. Die Heroischen schließen sich uns an.” Dann dürfen natürlich auch durchgeknallte Neonazis wie die „Reichsbürger“ und ähnliche Knallchargen nicht fehlen. Am Ostermontag gehört ein gewisser Andreas Popp zu den Rednern auf der „Friedensdemonstration“ in Berlin. Der fordert unter anderem eine „kommissarische Reichsregierung“. Als Initiator des Spuks gilt ein gewisse Lars Mährholz, der die US-Notenbank FED für „alle Kriege der letzten 100 Jahre“ verantwortlich macht und auf seiner Seite zeitweilig ein Video des führenden Neonazis Karl Richter verlinkte.

 Gregor Gysi wird da ganz bestimmt nicht hingehen, und das ist auch gut so. Aber auch diverse vermeintlich linke Menschen (Diesmal meine ich nicht die gleichnamige Partei) warnen vor „Ausgrenzung“, „Denkverboten“ und werben für einen diskursiven Kurs gegenüber diesen „Friedensdemonstrationen“. Aua!

 Ich gehe Ostern auf keine Demo. Ich werde mir die -zweifelsfrei antisemitische- Johannespassion von Johann Sebastian Bach anhören – eines der größten Werke der barocken Kirchenmusik. Darf man das? Ja, man darf. Ferner werden die Gemüsepflanzungen in Wandlitz fortgesetzt, es wird Spargel gegessen, vielleicht auch Fisch, ordentlich Fahrrad gefahren und Wein getrunken. Schließlich gilt es allmählich, den Spargelwein der Saison 2014 auszurufen. In diesem Sinne: Frohe Ostern.

 

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