Kampftag des Spargelschälers

  Bevor ich mich zu einer kurzen Auszeit auf meinen Landsitz verziehe, hätte ich da noch ein paar ungeklärte Fragen:

 1.) Was haben deutsche Bundeswehroffiziere in der Ostukraine zu suchen?

 2.) Warum meinen immer mehr Leute in meinem Umfeld, dass man den kruden “Montagsdemos” doch irgendetwas Fortschrittliches abgewinnen sollte?

 Aber jetzt naht erst Mal der 1.Mai, und der ist bekanntlich ein Feiertag. Beim DGB nennt sich das dann Tag der Arbeit, viele Linke sprechen vom Kampftag der Arbeiterklasse, andere reden besonders in diesem Jahr von einem Brückentag und für mich ist es schlicht der Kampftag des Spargelschälers. Zwar bringe ich den Forderungen der Gewerkschaften nach anständiger Entlohnung und regulären, sicheren Arbeitsverhältnissen große Sympathie entgegen, doch der Besuch der berüchtigten Maifeiern des DGB verbietet sich aus ästhetischen und genusskulturellen Gründen. Denn niemand kann mir plausibel erklären, warum ich einen Feiertag mit dem unerträglichen Geruch von angekokelten Bratwürsten und lauwarmem Bier aus der Plastebecher verbringen soll.

 Und selbst einigen Autonomen fällt ja am 1.Mai manchmal nicht Besseres ein, als irgendwelche Discounter zu entglasen und palettenweise schlimme Flüssigkeiten wie “Sternburg-Pils” nebst pappigen Kartoffelchips ins Freie zu tragen, anstatt sich im Vorfeld mittels einer gut geplanten Kommandoaktion im KaDeWe ausreichende Mengen Champagner und Gänsestopfleber zu besorgen. Anscheinend haben die auch “Bezahlt wird nicht”, das legendäre Stück des Literaturnobelpreisträgers Dario Fo über direkt Umverteilung, weder gelesen, noch im Theater gesehen.

Ohne Spargel macht der 1.Mai keinen Spaß

 Wie gesagt: Ich zelebriere den Kampftag des Spargelschäler wie immer in meiner Wandlitzer Dependance. Immerhin müssen ein paar Kilo vorbereitet sein, wenn dann nachmittags einige Gleichgesinnte eintrudeln. Was das mit dem Spargel und dem dazu passenden Wein auf sich hat, habe ich bereits vor ein paar Tagen erläutert  Doch traditionell wird an diesem Tag danach auch noch angegrillt. Es gibt Merguez (Lammbratwürstchen) von meinem türkischen Lieblingsfleischer und dazu den ersten Blattsalat aus meinem Frühbeet, veredelt mit allerlei “Unkraut” aus dem Garten (Löwenzahn, Giersch und Radieschenblätter).

 Zu den würzigen Merguez braucht man natürlich einen angemessenen Rotwein. Da ist einiges möglich, doch allzu schwere Weine mit dominantem Holz wirken dann doch eher erschlagend. Was meine Kollegen mitbringen weiß ich nicht, aber ich setze bei dieser Gelegenheit stets auf Blaufränkisch, bzw. Lemberger oder Kekfrankos, wie die beiden gängigsten Synonyme lauten.

 Frisch aus dem Burgenland angekommen ist der Blaufränkisch “Kalk und Schiefer” 2011 vom Weingut Hans&Anita Nittnaus. Das sind nur wahrlich keine Unbekannten in der Szene. Seit Jahren sorgen sie sowohl mit ihren Spitzengewächsen aus der DAC Leithaberg als auch mit ihren außergewöhnlichen Basisweinen für Furore.

 Schon visuell ist dieser Blaufränkisch ein Genuss: Sattes rubin- bis granatrot mit violetten Reflexen. Feine Kirsche und Brombeere in der Nase, dabei ausgesprochen blumig und mit dezenter Kräuterwürze. Sehr saftig und kräftig am Gaumen, wo sich auch satte Beerenfrucht und dezente balsamische Noten zeigen. Präsente, aber zurückhaltende Säure und sehr feine Tannine, denen die 15monatige Lagerung im 500-Liter-Holzfass schmeckbar gut getan hat. Fazit: Ein rundum gelungener roter Tropfen, der hervorragend zum Kampftag der Arbeiterklasse passt. Und natürlich zu den Merguez.

 

 

 

 

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