Die Welt scheint mittlerweile ziemlich übersichtlich geworden zu sein. In Deutschland scheint es nur noch zwei Gruppen von Menschen zu geben: Die „Putin-Versteher“ und die „Faschistenfreunde“. Ausgangspunkt dieser Einordnung ist der Konflikt in der Ukraine. Dort wurde ein autokratisches, korruptes Regime mit besten Verbindungen zur russischen Führung gestürzt. Klingt erst Mal ganz gut, hat aber leider einen Haken. Denn die westeuropäischen Eliten zogen bei diesem Aufstand kräftig an den Strippen und Faschisten spielten und spielen bei den Ereignissen in der Tat eine zentrale Rolle.
Natürlich war Putin not amused, dass sich die NATO noch näher an seiner Grenze einnisten will als bereits nach dem Zerfall des Ostblocks geschehen. Und dass die Bevölkerung der Krim, die ohnehin nur durch eine Wodka-Laune der Geschichte der Ukraine zugeschlagen wurde, mit überwältigender Mehrheit für einen Anschluss an Russland votierte ist a) nicht zu bezweifeln und b) nachvollziehbar.
Was aber jetzt in der Ost-Ukraine passiert, ist komplizierter. Dort stehen stehen sich offenbar nationalistische Marodeure verschiedener Richtungen gegenüber, die einen gestützt von Russland, die anderen von der ukrainischen Regierung. Die kann natürlich nicht tatenlos zusehen, wie selbsternannte russophile „Gouverneure“ und „Bürgermeister“ samt obskurer Milizen die weitere Abspaltung von Landesteilen vorbereiten, ohne auch nur entsprechende Referenden abwarten zu wollen. Auf der anderen Seite kann Russland die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen vor seiner Tür samt Massenmorden, Entführungen und Belagerungen keinesfalls akzeptieren, wobei Putin auf breite Unterstützung seiner Bevölkerung zählen kann.
Warum es in der ohnehin von einer Art Bekenntnissucht geplagten Linken nunmehr Mode wird, Putin ganz allgemein ganz toll zu finden und beispielsweise seine Sozialpolitik zu loben, steht auf einem anderen Blatt. Auch er ist ein autokratischer Herrscher, der im Bündnis mit einigen Oligarchen regiert. In Russland gibt es weder Meinungs- noch Pressefreiheit, Oppositionelle müssen mit massiver Repression und drakonischen Strafen rechnen, Homosexuelle werden verfolgt, um nur einige Erscheinungsformen zu nennen.
Leider ist es so, dass nichtnationalistische linke Gruppen sowohl in Russland als auch in der Ukraine offensichtlich sehr schwach sind. Und tatsächlich haben wir es in der Ukraine mit einer „Übergangsregierung“ zu tun, die mit unappetitlich noch milde beschrieben ist. Derweil geistert durch Deutschland das Gespenst neuer Montagsdemos bzw. „Friedensmahnwachen“, bei denen es rechten Rattenfängern, Esoterikern und Verschwörungstheoretikern offenbar gelingt, um den Frieden besorgte Menschen zu mobilisieren und zu beeinflussen. Schon hört man aus linken Kreisen Mahnungen, sich mit dieser „neuen Bewegung“ doch bitte etwas wohlwollender und differenzierter auseinanderzusetzen bzw. deren „spirituelle Dimension“ zu erfassen. Und dies, obwohl auf den Mahnwachen stets der Schulterschluss von rechts und links sowie die Fokussierung auf das (jüdische) Kapital der US-Ostküste als alleiniger Ursache allen Übels dieser Welt propagiert wird. Und wenn wie am 1.Mai rund 25.000 Menschen in Berlin an einer revolutionären Demonstration gegen die unsoziale Politik der EU und der Bundesregierung, gegen prekäre Beschäftigung und Vertreibung ärmerer Menschen aus innerstädtischen Wohnquartieren teilnehmen, dann ist das eine richtige Antwort auf die unsägliche „Mahnwachenbewegung“.
Wenigstens in dieser Frage waren wir uns – vom revolutionären Pressearbeiter über den bürgerlich-liberalen Redakteur bis hin zum trotzkistischen Bürokraten – am 1.Mai beim Kampftag des Spargelschälers in Wandlitz einig. Ansonsten kamen wir noch zu der überraschenden Erkenntnis, dass der Müller-Thurgau Binzener Sonnhohle „Lenz“ 2013 Kabinett trocken vom Weingut Frick, der tatsächlich nur 4,80 kostet, noch besser als sein Gutedel zum Spargel passt.