Berliner Parallelwelten

Ich habe am Montag etwas Merkwürdiges gemacht. Ich bin nicht nur in aller Herrgottsfrühe zum Rathaus Hellersdorf gefahren, sondern von dort aus noch mit dem Fahrrad rund acht Kilometer zu einer Baustelle in die Bitterfelder Straße im tiefsten Marzahn und anschließend 18 Kilometer zurück nach Moabit. Zu verdanken habe ich diesen bescheuerten Trip der unfähigen Presseabteilung der IG BAU, die einen vollkommen falschen Ort für einen Pressetermin anlässlich einer Protestaktion auf besagter Baustelle übermittelte.

Doch ich bereue es nicht. Denn so wurde mir wieder mal anschaulich klar, dass Berlin aus Parallelwelten besteht. Die Plattenbauviertel aus DDR-Zeiten haben nichts mit der Lebensrealität in den mehr oder weniger urbanen und szenigen innerstädtischen Quartieren zu tun. Man fährt kilometerweit auf schnurgeraden mehrspurigen Straßen durch große Hochhaus-Wohnblöcke. Hier ist die NPD im Europawahlkampf optisch an jeder 3.Laterne präsent. Hier gibt es vielleicht auch grüne und/oder ruhige Ecken, aber die müssen irgendwo versteckt hinter den Blöcken liegen.

 

Leben in der “Platte”- bitte nicht!

Ich – immerhin gebürtiger Berliner – kenne diese Viertel kaum. Ich weiß nicht, wie man sich fühlt, wenn man dort freiwillig oder unfreiwillig lebt. Ich weiß nicht, wie man in so einem Lebensumfeld tickt und wie man seine Freizeit gestaltet. Ich habe keine Ahnung, ob man dort was Vernünftiges zu essen bekommt, was über das Discounter-Level hinausgeht. Weder in meinem Freundes- noch in meinem erweiterten Bekanntenkreis befinden sich Menschen, die in Marzahn oder Hellersdorf wohnen. Und weder die Millionen Touristen, noch die unzähligen Zuzügler, die jedes Jahr in die Hauptstadt streben, denken im Traum daran, sich hier aufzuhalten oder gar niederzulassen. Ich bin nur zügig durchgeradelt, allerdings permanent mit dem Gedanken, dass es für mich der blanke Horror wäre, hier wohnen zu müssen, bzw. in ähnlichen Siedlungen im Süden oder Norden der Stadt.

In solchen Momenten kommt es mir etwas borniert vor, die Berliner Politik und besonders die städtebaupolitische Entwicklung immer nur aus der “Kiez-Perspektive” zu sehen. Immerhin leben fast zwei Drittel aller Einwohner außerhalb des S-Bahn-Rings. Die hat unsereins überhaupt nicht auf dem Schirm, oder nur dann, wenn mal wieder ein rassistischer Mob in Hellersdorf gegen Flüchtlinge mobil macht.

Jedenfalls will ich da nicht mehr hin, bzw. nur dann, wenn es aus beruflichen Gründen unvermeidbar ist. Ich lebe in einer anderen Stadt, und die gefällt mir einfach besser.

 

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