Sind jetzt eigentlich alle gaga? Da gewinnt ein schlecht singender Transvestit einen bescheuerten Schlagerwettbewerb, und die halbe Welt faselt von einem „Sieg der Toleranz“. Und der aufgeblasene Hanswurst haut sogar noch selber in die Sahne und bezeichnet seinen Erfolg als Signal für Frieden und Freiheit.
Für Frieden, Freiheit und bessere Chancen werben auch die großen Parteien bei der Europawahl. Dabei wollen sie ein „Freihandelsabkommen“ genanntes Ermächtigungsgesetz durchsetzen, dass den Konzernen ermöglicht, Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzbestimmungen nach Belieben auszuhebeln. Alles Notwendige dazu erklärt regelmäßig seit Wochen unter anderen der Politik-Chef der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl. Natürlich werden CDU,CSU und SPD bei den Wahlen wieder mehr als 70 Prozent der abgegebenen Stimmen bekommen. Und der Rest verteilt sich dann größtenteils auf Ekeltruppen wie die Grünen, die AfD und die FDP.
Dann hätten wir noch unsern obersten Polit-Pastor Gauck, der sich nicht zu schade ist, eine Einschränkung von Gewerkschaftsrechten zu fordern – und natürlich bekommt er dafür auch noch Beifall vom DGB-Bundeskongress.
Derweil findet in der Ost-Ukraine inmitten bürgerkriegsähnlicher Kämpfe ein dubioses Referendum über die Loslösung einiger Provinzen statt. Auch hier gibt es Beifall, und zwar auch von so manch linkem Zeitgenossen. Das Völkerrecht wird dann manchmal halt ebenso zur variablen Größe, wie das Beharren auf Minimalstandards für freie und geheime Wahlen. Auf der anderen Seite sind in dem Land offenbar längst US-amerikanische Söldnerfirmen auf Seiten ukrainisacher Behörden zugange. Dennoch sollte auch die Frage erlaubt sein, ob die Milizen der Separatisten ihre Panzer und ihre Flugabwehrgeschütze mal eben im Dorfladen gekauft haben – oder gezielt von Russland aufgerüstet wurden.
Ich hätte am Sonnabend in Berlin auch demonstrieren können, für die Energiewende. 12.000 haben mitgemacht, um unter anderen darauf hinzuweisen, dass trotz besagter Energiewende der Anteil des Kohle-Stroms stetig steigt. Aber ich habe das gepflegt, was man neudeutsch „Life-Work-Balance“ und jugenddeutsch „chillen“ nennt. Schließlich ist der Mai ein Genießermonat, und das nicht nur wegen Spargel und Erdbeeren. Es ist auch die beste Zeit für Schollen. Wenn man in die einschlägigen Koch-Blogs guckt, wird wieder auf Teufel komm raus „verfeinert“, fast so schlimm wie bei Spargel. Scholle provecal, Schollen-Piccata, Scholle in Senf-Dill-Sauce, Schollen-Curry und so weiter. Was soll der ganze Quatsch? Bei mir gab’s natürlich eine klassische Variante. Scholle mit Zitrone, Salz und Pfeffer würzen, etwas melieren und in Butterschmalz braten. Dazu Kartoffelsalat von der Linda. Und vorweg eine Spargelsuppe.
Tolles Essen braucht tollen Wein. Deswegen war wieder mal ein „Großes Gewächs“ angesagt, ein trockener Moselriesling von Willi Schäfer, der „Graacher Himmelreich 2011“. Tolle reife Rieslingfrucht, knackige Säure mit ein wenig Zitronenschale, feines Pfirsicharoma und der „Schiefer-Kick“, der viele Mosel-Rieslinge so großartig macht. Und das alles mit schlanken 12 Prozent Alkohol. Chapeau, Herr Schäfer! Danke für das kleine Erlebnis, welches wiedermal bestätigte, dass es auch in Phasen größten Irrsinns kleine Glücksmomente geben kann.