Am Montag habe ich Post von der „Jungen Welt“ bekommen. Gespannt war ich schon, was mir der Verlag mitzuteilen hat. Entschuldigen sie sich für ihr unmögliches Verhalten? Heben sie das am 8.12.2011 ausgesprochene Hausverbot auf? Kündigen sie an, mir eine ansehnliche Entschädigung für erlittene Unbill zukommen zu lassen? Bieten sie mir gar die Stelle des Chefredakteurs an?
Nichts von alledem. Vielmehr wurde mir ein erneuter Rauswurf angekündigt. Diesmal aus der LPG-Genossenschaft, die die Mehrheitsanteile am Verlag 8.Mai besitzt, der die Zeitung heraus gibt. Ich bin seit über 15 Jahren Mitglied er Genossenschaft und besitze einen Anteil.
In dem Schreiben heißt es zur Begründung, ich hätte mit meinem „Verhalten im Zusammenhang mit verbalen, vor allem aber juristischen Angriffen gegen den Verlag 8.Mai den Interessen der Genossenschaft gröblichst zuwidergehandelt“, u.a. durch das „Verbreiten von unwahren Behauptungen“. Außerdem sei der Verlag „ökonomisch und auf Kosten deiner ehemaligen Kollegen geschädigt“ worden. Ferner hätte ich „in Kauf genommen, dass der Verlag an den Folgen des von dir geführten Prozesses hätte zugrunde gehen können“. Mir werde hiermit Gelegenheit gegeben, mich bis zum 13. Juni zum beabsichtigten Ausschluss zu äußern.
So lange brauch ich dafür nun wirklich nicht. Das Antwortschreiben geht noch heute in die Post und jetzt schon mal ins Netz.
Lieber LPG-Vorstand
es ist schwierig, sich zu meinem geplanten – und wie ich die jW kenne bereits längst beschlossenen – Ausschluss aus der LPG zu äußern. Denn die angeführten Gründe legen den Schluss nahe, dass es sich um eine Verwechslung handeln muss. Dazu ein paar Fragen:
- Welche unwahren Behauptungen habe ich verbreitet?
-
Welche Interessen der Genossenschaft habe ich verletzt?
Ökonomisch geschädigt wurde der Verlag nicht durch mich, sondern durch das selbstherrliche Vorgehen des Geschäftsführers Dietmar Koschmieder, der in dem seit Jahren schwelenden und von ihm zugespitzten Konflikt über die Gestaltung meines Arbeitsverhältnisses jeglichen Kompromiss ebenso kategorisch ablehnte, wie den Vorschlag einer außergerichtlichen Mediation. Er war es also, der angesichts der dann unvermeidlichen gerichtlichen Auseinandersetzung in Kauf genommen hat, dass der Verlag pleite geht. Dass dieser Starrsinn den Verlag teuer zu stehen kam, ist nun wirklich nicht meine Schuld. Und dass er im Zuge der Auseinandersetzung intern regelmäßig behauptete, mir ein Angebot gemacht zu haben, welches über die 1890 Brutto für einen Fulltime-Job als Redakteur hinausging, war schlicht gelogen. Auch das lässt mich vermuten, dass es sich bei dem Ausschlussbegehren gegen mich um eine Verwechslung handelt, denn die unwahren Behauptungen kamen nicht von mir, sondern vom Geschäftsführer.
Nochmal zur Erinnerung: Ich habe mich seinerzeit mit Hilfe meiner Gewerkschaft dagegen gewehrt, in ein Vertragsverhältnis gedrängt zu werden, dass für mich massive Einkommensverluste bedeutet hätte. Zumal Dietmar bereits 2006 zugesagt hatte, eine möglicherweise aus arbeitsrechtlichen Gründen notwendige Neugestaltung des Vertrages ohne Einbußen zu realisieren. Ich habe also genau das gemacht, was man ständig in der Jungen Welt als positive Beispiele für Widerstand gegen Unternehmerwillkür lesen kann. Dafür gab’s dann den Rausschmiss und das Hausverbot. Das sich daran anschließende Gerichtsverfahren zog sich durch zwei Instanzen und endete mit einem Vergleich. Das Gericht mochte Dietmars Position, dass ich -obwohl 12 Jahre als Vollzeitredakteur tätig- dort eigentlich nie fest gearbeitet hätte, nicht so richtig teilen.
Eigentlich müsste der LPG-Vorstand erwägen, Koschmieder sowohl als Geschäftsführer zu entlassen, als auch aus der Genossenschaft auszuschließen. Natürlich wird das in einem derart autokratisch geführten Unternehmen wie der „Jungen Welt“ nicht passieren. Von daher sehe ich der endgültigen Entscheidung über meinen Ausschluss mit heiterer Gelassenheit entgegen und freue mich bereits auf die Rückzahlung meines Genossenschaftsanteils im Nennwert von 500 Euro. Zumal man auf diesem Weg endlich mal erfährt, was die Anteile noch wert sind. (Dürfte viele Genossen interessieren)
Für ein paar Austern, ein bisschen Rohmilchkäse und korrespondierende Weine sollte es aber wohl noch reichen. Das alles wird dann mit ein paar Freunden verzehrt. Natürlich nicht ohne das Glas auf die linke Gegenöffentlichkeit zu erheben, in der die „Junge Welt“ leider eine zunehmend traurige Rolle spielt.
In diesem Sinne
Rainer Balcerowiak
Balcerowiak, Sie Trotzkist. Rechtsschutz braucht es in der Klassenlosen Gesellschaft nicht. Und im übrigen: Der Jungen Welt kündigt man und lässt sich nicht kündigen. Habe ich mit meinem Abo 1989 sofort getan, als es endlich bessere Zeitungen gab.
Nur eine Frage: Wie kommen Sie darauf, dass ich Trotzkist bin?
Bestimmt wegen Ihrer trotzigen Reaktion! :-D
ha, ha :-) Eigentlich war das von mir ironisch gemeint. Hätte ich wohl noch ein Smiley setzen müssen. Warum habe ich den Terminus verwendet? Es hätte auch jeder andere gewählt werden können. Die politische Linke ist bei der Etikettierung ihrer Gegner sehr kreativ: Linksabweichler, Rechtsabweichler, Revanchist, Faschist etc. Denn das ist das bemerkenswerte an dem Schreiben; dass man ihnen die Inanspruchnahme von Rechtsschutz als schädigendes Verhalten auslegt. “Vivat Rechtsstaat” – und das ist jetzt ganz und gar keine Ironie von mir.
Besonders witzig finde ich, dass es ja sogar gewerkschaftlicher Rechtsschutz war
Erstaunlich ist daran nur, wie lange der Große Führer gebraucht hat für diesen Rausschmiss. Der Entscheidung vorausgegangen sind sicher unzählige Plena, DKP-Geheimrunden und Absprachen mit den Kommunistischen Parteien von Nordkorea, China und Griechenland. Schon jetzt freue ich mich auf das kommende samstägliche Dekret an die Leser, in dem Koschmieder auch diese Aktion zum heroischen Akt des Widerstandes gegen das Schweinesystem und seine bürgerlichen Büttel stilisieren wird. Allein für diese Rubrik, in der verdienteste Edelfeder des Volkes Woche für Woche gekonnt zwischen Larmoyanz und Selbstüberschätzung mäandert, liebe ich dieses lustige Blättchen.
Wir von der Ortsgruppe Wandlitz haben dem Herren Journalisten mehrmals angeboten, an unseren Schulungen zum HistoMat und DiaMat teilzunehmen. Er hat dies immer kurzfristig mit dem Argument abgelehnt, dass noch schnell ein Wein verkostet werden müsse (gluck, gluck…!). Da wundert es mich nicht, dass er vom Genossen Koschmieder wegen kleinbürgerlicher Entartung entlassen werden musste!
DiaMat? Du meinst wahrscheinlich Diamant Impérial Sekt von der luxemburgischen Kellerei Bernard-Massard. Den ziehe ich in der Tat euer öden Schulung vor. Zumal man ja gesehen hat, wo euch der dialektische Materialismus in der Lesart deiner alten Partei (und der heutigen Jungen Welt) hingeführt hat
Kellerei Bernard-Massard? Seit wann trinkst Du denn so eine Plörre. Oder reicht die Abfindung von der Jungen Welt nicht für mehr?
Lieber Herr Balcerowiak,
Ihre satirischen und manchmal sehr spitzen Glossen und Sottisen habe ich immer gerne gelesen, sowohl in der Jngen Welt als auch im Internet. Und auch der Umgang des Verlages mit Ihnen ist sicherlich kritikwürdig. Aber billige Witze über den wissenschaftlichen Sozialismus und die DDR sollten eigentlich unter Ihrer Würde sein. Unter meiner sind sie es jedenfalls.
Das stolze Flaggschiff des linken Publizismus hat ein kleinbürgerlich-anarchistisches Element über die Planke gejagt, das nicht nach dem Kompass des wissenschaftlichen Sozialismus mitsegeln wollte, welches seine Kameraden inmitten umtoster, feindlicher See in tödliche Gefahr brachte und dann noch die doppelte Heuer forderte. Wer sich innerer Einkehr und Selbstkritik verschließt, kann keine rettende Hand erwarten. Möge sein Name für immer aus den Schiffspapieren getilgt werden!
Mensch Rainer, sei bloß froh, dass Du da weg bist. Einige Kommentare legen ja wirklich nahe, dass sich im Umfeld dieser Zeitung jede Menge Irre befinden.
Habe mich über die Kommentare sehr amüsiert. Hab sie aber auch als Satire verstanden. Du meinst das war Realsatire?
Teils, teils. Manche meinen das tatsächlich Ernst