Bachfest Leipzig-Special II: Was man überhören muss

 Wenn man auf dem Bachfest Leipzig einen Gottesdienst besucht, der musikalisch vom Gewandhausorchester, dem Thomanerchor und großartigen Solisten gestaltet wird, geht man eine Art Deal ein. Man bekommt die Musik gratis präsentiert, muss ich dafür aber auch die „Werbeeinblendungen“ der evangelischen Kirche anhören. Auf die bin ich im Moment besonders schlecht zu sprechen, nachdem ihr prominentester Pfarrer, der derzeit als Bundespräsident agierende Herr Gauck, die Deutschen vor ein paar Tagen auf mehr Kriegseinsätze der Bundeswehr eingeschworen hat.

Susanne Krumbiegel und die Thomaner auf dem Marktplatz

Man muss das halt ausblenden, wenn man auf dem Marktplatz am frühen Sonntag das Magnificat D-Dur von Johann Sebastian Bach geboten bekommt. Und das fällt auch leicht, wenn man der unglaublich klaren Stimme der Mezzosopranistin und Altistin Susanne Krumbiegel lauscht.

 Sphärische Klänge gab einige Stunden zuvor beim Nachtkonzert in Thomaskirche. Midori Seiler muss gewusst haben, worauf sie sich einlässt, wenn sie zwei Partiten für Violine solo dem enormen Raumhall des des Kirchenschiffs aussetzt. So verschmolzen die Melodiebögen dieser Miniaturen zu harmonischen Clustern – was den Intentionen Bachs beim Komponieren dieser Werke wohl recht nahe kommt.

 Nur bedingt geglückt dagegen das Abendkonzert in der Nikolaikriche. Das beeindruckende Oratorium „Die Israeliten in der Wüste“ von Carl Philipp Emanuel Bach wurde vom Chorus Musicus Köln und dem Neuen Orchester zwar souverän und historisch informiert (wie es heute in der Musiksprache heißt) dargeboten, doch die beiden Sopranistinnen brachten in ihren Arien nicht Leid und Zweifel an Gottes Weisheit zum Ausdruck, sondern überfrachteten das Werk mit allerlei aufgesetzten Mariniertheiten. Schade.

 Ansonsten kann man hier ganz entspannt den Bach-Swing genießen, der die Innenstadt erfasst hat. Auf dem Marktplatz gibt es immer wieder kurze Proben der später auftretenden Ensembles und über den Tag verteilt sind ständig irgendwo musikalische Gottesdienste oder Aufführungen von Laien- und Nachwuchsensembles. Und zwar auf erstaunlichem musikalischen Niveau. Das Bachfest Leipzig ist eben kein Potemkinsches Dorf sondern fusst auf einer großen Tradition und einer großen Gegenwart der Musikpflege. Über Trittbrettfahrer, die auf dem Marktplatz dazu eine Currywurst mit Pommes und einem Glas Spritz unter dem Namen „Bachs Komposition“ anbieten und Bandnudeln mit Tomatensauce als „Concerto in Dialogo“ anpreisen, kann man angesichts von so viel Freude milde lächeln

 

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