Immer noch stahlig: Die Saar

 Wer in Saarbrücken in die Regionalbahn in Richtung Trier steigt, bekommt die Struktur der Region im Zeitraffer präsentiert. Zunächst durchquert man entlang der Saar eine Art Industriemuseum, das an die Zeiten erinnert, als das Saarland noch ein bedeutender Bergbau- und Stahl-Standort war. Kurz vor der Mettlacher Saarschliefe verfliegt dann der morbide Charme von Orten wie Dillingen und Völklingen. Und kurz danach beginnt bei Serrig eines der wohl faszinierendsten Weinbaugebiete der Welt. Hier entstehen in den Steillagen entlang des Flusses auf kalkfreiem Devonschiefer Rieslingweine, die so mineralisch ausfallen, wie in kaum einer anderen Region. Das 400 Millionen Jahre alte Gestein verwittert sehr leicht, wird im Grundwasser gelöst und von den Reben aus dem Boden aufgenommen.

Zwar ist das Gebiet weinrechtlich der Mosel zugeordnet, doch die Eigenständigkeit ist unverkennbar. Die Saar liegt deutlich höher, dass Flusstal ist enger, die Temperaturen sind niedriger. Diese mikroklimatischen Bedingungen führen zu einer eigenen Stilistik der Saar-Weine, die von recht hohen Säurewerten geprägt sind. Im Zusammenspiel mit den steinig-mineralischen, oft auch als “stahlig” bezeichneten Noten, der langsamen Reife und entsprechend ausgeprägten Aromen sind es vor allem so genannte halbtrockene oder auch fruchtsüße Weine, die ein unnachahmliches Spiel am Gaumen entwickeln. So wirken viele Weine mit beträchtlichem Restzucker  alles andere als süß und auch bei sehr niedrigen Alkoholgehalten sowohl filigran als auch füllig.

Schwieriger wird es in vielen Jahrgängen bei trockenen Weinen, da dann die Säure oftmals zu dominant wirkt, besonders wenn sie jung getrunken werden. Das hat zu dem zweifelhaften Ruf, der dem Saarwein in jüngerer Vergangenheit vorauseilte, einiges beigetragen. Doch in den Spitzenlagen entstehen auch trockene Rieslinge, die keinen Vergleich zu scheuen brauchen.

Da geht’s zum Riesling: Günther Jauch und sein Kellermeister Andreas Barth vor dem Kanzemer Altenberg

 Für einen ökologisch orientierten Linken wie mich sind einige Besonderheiten des Weinbaus an der Saar schwer verdaulich – aber dennoch nachvollziehbar. Man trifft keinen Winzer, der nicht die Segnungen des Klimawandels preist. Denn durch die deutliche Erwärmung sind die in Oechsle gemessenen Reifegrade des Traubenmostes im Durchschnitt ebenso deutlich gestiegen, wie die Säurewerte gesunken sind – was besonders trockenen Weinen sehr zu Gute kommt. Ferner findet sich auch kein Winzer, der nicht die positive Rolle prominenter Neu-Kollegen wie Günther Jauch und dem Bitburger-Erben Roman Niewodniczanski in den höchsten Tönen preist. Beide haben wirtschaftlich schlingernde, aber mit großem Potenzial für Spitzenweine ausgestattete Weingüter erworben, mit beträchtlichen Investitionen ausgebaut und binnen kurzer Zeit in der Spitze der Region etabliert. Zudem sorgen Medienpräsenz und Distributionsmöglichkeiten dieser beiden “Jung-Winzer” dafür, dass Saar-Weine national und international viel mehr Beachtung finden, als noch vor einigen Jahren. Das nutzt letztendlich allen Weinbaubetrieben der Saar – sofern sie konsequent qualitätsorientiert arbeiten.

Ferner sind mir selten so viele Vorbehalte gegen ökologischen Weinbau begegnet. Zwar arbeiten auch Saarwinzer mit artenreicher Begrünung, Pferdemist und ersetzen bestimmte Pestizide durch Brennessel- und Schachtelhelmextrake oder Backpulver. Doch bei Kupferpräparaten hört der Öko-Spaß für viele auf. Diese werden im Ökoweinbau gegen die Pilzkrankheit Peronospora (Falscher Mehltau) als Substitution für synthetische Spritzmitteln eingesetzt. Solange der zertifizierte Bioweinbau auf Kupferanwendung basiere, sei das schlicht “Etikettenschwindel”, so ein Winzer aus Ayl. Denn durch die Anreicherung dieses Schwermetalls würde der Boden irreversibel geschädigt und bereits nach wenigen Jahren die Regenwurmpopulation deutlich dezimiert. Mir fehlt leider der agrarwissenschaftliche Background, um in dem seit Jahren tobenden “Kupfer-Krieg” eine klare Position beziehen zu können.

Natürlich haben wir – eine vom Deutschen Weininstitut eingeladene Journalistengruppe – in den vier Tagen an der Saar auch viel probiert. Sogar sehr viel! Doch das ist eine andere Geschichte. Und die werde ich in loser Folge in den kommenden Tagen und Wochen präsentieren.

 

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