Allez les Bleus! Und dazu einen Saar-Riesling

In Syrien, dem Irak und der Ukraine herrscht Krieg. Im Gaza-Streifen ist es knapp davor. Unsere Kriegsministerin will bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr, und der Mindestlohn wird für ein paar Millionen Menschen für bis zu 2 Jahre ausgehebelt, teilweise sogar mit Unterstützung der Gewerkschaften. Dennoch wurde ich am Donnerstag beim morgendlichen Radioeinschalten mit der Meldung begrüßt, dass sieben deutsche Fußballspieler Grippesymptome aufweisen, und man sich Sorgen um deren Fitness für das Spiel gegen Frankreich machen müsse. Und das war kein Dudelfunk, sondern ein öffentlich-rechtlicher Nachrichtenkanal.

Es reicht! Jedenfalls wäre ich den Franzosen sehr dankbar, wenn sie diesem Spuk ein Ende machten. Dann müsste ich nach meiner Rückkehr aus Wandlitz am Sonntag auch nicht mehr die alberne Beflaggung an allen Ecken, an Autos und in Kneipen ertragen, von bescheuert kostümierten und geschminkten Schwachmaten mal ganz abgesehen. Also: Allez les Bleus!

In Sichtweite meines Landsitzes wehen keine Fahnen. Hier harren Garnelen, Seehecht sowie Salat und Gurken aus dem Beet ihrer fachgerechten Zubereitung, während im Kühlschrank einige Flaschen Riesling auf ihre Leerung warten. Darunter auch eine 2013er Riesling Spätlese trocken vom Niedermenninger Sonnenberg, ein Mitbringsel von meiner Pressereise an die Saar.

Wenn es Dinge gibt, die ein Weinjournalist eigentlich nicht mehr sehen will, dann sind das die Weinkeller der besuchten Winzer. Denn der Erkenntnisgewinn ist nach gefühlten 1000 Besichtigungen eher gering: Man sieht stets mehr oder weniger lange Reihen von Edelstahltanks und Holzfässern verschiedener Größe. Und was die Winzer über Weinbereitung zu erzählen haben, hat man ebenfalls schon unzählige Male gehört. Bein Weingut Falkensteiner Hof ist das allerdings anders. Hier steigt man in ein höhlenartiges Gewölbe mit vollkommen verschimmelten Decken und einem recht penetrant modrigen Geruch. Das hat aber keineswegs mit mangelnder Hygiene der Familie Weber zu tun, sondern mit ihrer Weinphilosophie.

Bei Webers im Keller möchte man vielleicht nicht essen. Aber dem Riesling gefällt es dort

Erich Weber und sein Sohn Johannes, der nach Önologiestudium in Geisenheim und einem längeren Aufenthalt in Neuseeland jetzt voll in das elterliche Weingut eingestiegen ist, sind radikale Überzeugungstäter. Für sie ihn steht einzig und allein der Zustand der Trauben vor und während der Lese im Mittelpunkt der Weinherstellung. Der Rest, so Jungwinzer Johannes , sei “kontrolliertes Nichtstun”. Die Weine werden ohne Zusatz von Fremdhefen in großes Holzfuderfässern vergoren. Es wird weder geschönt noch geklärt, filtriert wird erst direkt bei der Abfüllung in die Flasche. Die Gärung bleibt bis zum Schluss unbeeinflusst, d.h. sie wird weder durch Kühlung oder Schwefelzugabe gestoppt, um eine bestimmte Restsüße zu erhalten, noch durch Wärme oder Enzyme stimuliert, um den Most weiter durchgären zu lassen. Denn die Hefepopulation des Kellers hat sich längst diversifiziert, erläutert Weber. In manchen Fässern hört die Gärung früher auf, als in anderen, entsprechend werden die Moste je nach angestrebtem Weinstil verteilt.

Den Stil der Weine vom Falkensteiner Hof kann man getrost als klassisch für die Saar bezeichnen: Hohe Säurewerte, sehr wenig Restsüße stahlig-salzige Mineralik, feine Fruchtaromen und wenig Alkohol. Jung getrunken wirkt das alles noch recht sperrig und ein wenig hefelastig. Einige Kollegen nahmen sogar das unter Profis eigentlich verbotene Wort „sauer“ in den Mund.

Wie dem auch sei: Ich mag dieses Zeug! Das ist trockener Riesling in Reinform und irgendwie aus der Zeit gefallen. Das heißt nicht, dass die mainstreamfernen Weine vom Falkensteiner Hof Ladenhüter sind. Im Gegenteil: Amis und Australier sind ganz scharf darauf und ordern bereits größere Partien des kommenden Jahrgangs, wie Erich Weber zu berichten weiß. Kein Wunder, denn solche Weine gibt es in Übersee nicht. Man sollte sich jedenfalls beeilen, wenn man diesen Riesling probieren will. Er wird nicht jedem schmecken, aber Erkenntnisgewinn bringt er mit Sicherheit.

Das Gut hat keinen Webshop. Bestellungen sind per E-Mail möglich (winzerweber@web.de) Die 2013er Riesling Spätlese trocken Niedermenninger Sonnenberg kostet acht Euro.

 

2 Gedanken zu “Allez les Bleus! Und dazu einen Saar-Riesling

  1. Balcerowiak, was trinken wir eigentlich, wenn die Nationalidioten in Brasilien gewinnen? Muss ja was Besonderes sein, um die “Wir sind wieder wer”- und “Wir kennen nur noch Deutsche, die für Deutschland sind”-Schreihälse auszuhalten – mit einem Fünf oder Zehn-Euro-Riesling ist es nicht getan. Und ich finde, es muss Rotwein sein.

    • Hätte da noch einen großartigen Portugiesen (Bela Luz) sowie das Große Gewächs (Der schwarze Löwe Lemberger 2009) von Graf Adelmann im Regal. Ein Grand-Cru-Jahrgangschampagner (2003) von Chapuy müsste auch noch irgendwo rumliegen, so als Einstimmung für den Roten. .