Uli Hoeneß wird Weltmeister

Es ist wohl nicht mehr zu verhindern. Die gut geöltete teutsche Präzisionsfußballmaschine ist auf dem besten Weg, den WM-Titel zu erringen. Wir Humanisten müssen den Schland-Terror samt absurder Flaggerei, Hupkonzerten, gröhlenden Horden, nächtlicher Feuerwerksbelästigung und nationalen Größenwahn bis zur bitteren Neige über uns ergehen lassen. Klar, man kann auch persönlich Flagge zeigen. So habe ich mir heute extra ein oranges T-Shirt gekauft, das ich – sofern Holland das Halbfinale gewinnt und deutscher Endspielgegner wird – in den kommenden Tagen demonstrativ tragen werde. Aber es wird wohl nichts nützen.

Die Grundlage für die Dominanz der Mannschaft sind weder die “deutschen Tugenden”, noch ein besonders genialer Trainer, noch die oft genannten Ausnahmespieler. Sicher: Neuer ist ein überragender Torwart mit großartiger Spielübersicht weit über seinen Strafraum hinaus und noch dazu in der Form seines Lebens. Unbestreitbar auch, dass Müller die einmalige Ausgabe der ultramodernen, chaostheoretisch beeinflussten Variante des Vollstreckers darstellt. Aber andere Mannschaften haben ebenfalls Ausnahmekönner.

Die Überlegenheit des Teams basiert vielmehr – wie fast alles – auf ökonomischen Prozessen. Die deutsche Mannschaft besteht – im Gegensatz zu den meisten Teams- überwiegend aus Spielern, die ihr Geld in deutschen Vereinen verdienen. Eine besondere Rolle spielt dabei der FC Bayern München, der mittlerweile in der Lage ist, international konkurrenzfähige Ablösesummen und Gehälter zu bezahlen. Dieser Verein bildet die zentrale Achse des Nationalteams, vom Torwart Neuer, über die Verteidiger Boateng und Lahm, die Mittelfeldakteure Kroos, Götze und Schweinsteiger bis hin zur “falschen Sturmspitze” Müller. Diese Spieler kennen untereinander die jeweiligen Laufwege und spielerischen Vorlieben im Schlaf. Davon profitiert jetzt die deutsche Nationalelf.

Nun können auch Spanien, Italien und England auf viele Spieler aus heimischen Spitzenclubs zurückgreifen. Doch die lange erfolgreiche und stilprägende Generation der spanischen Stars aus Madrid und Barcelona hat den Zenit ihres Könnens jetzt überschritten. Ähnliches gilt für Italien. Und in England haben arabische und russische Oligarchen und US-Finanztrusts mit ihrer Einkaufspolitik der offenen Brieftasche dafür gesorgt, dass der heimische Top-Nachwuchs kaum Spielpraxis sammeln kann.

Zurück zu Bayern München. Das ist ein sportlich und finanziell offensichtlich hervorragend geführter Verein. Die Bayern sind schuldenfrei, sehr gut mit den Top-Adressen der deutschen Wirtschaft vernetzt, investieren gezielt und zukunftsorientiert, bauen Nachwuchsspieler systematisch auf und haben ein Gespür für die jeweils passenden Trainer. Diese Entwicklung erfolgte über einen langen Zeitraum und wurde entscheidend von einer Person geprägt: Uli Hoeneß.

Der voraussichtliche Erfolg Deutschlands bei der WM ist also zu großen Teilen einem rechtskräftig verurteilten, hochgradig asozialen Steuerverbrecher zu verdanken. Und das passt dann auch schon wieder.

Aber ein klein bisschen Hoffnung habe ich ja noch, dass es anders kommt. Eine gewisse Sympathie für die Holländer ist ebenfalls vorhanden, auch wenn deren Weinbau ziemlich albern und die Obst- und Gemüsekultur vorsichtig formuliert zweifelhaft ist. Jedenfalls gilt heute abend und hoffentlich auch am Sonntag: Hup, Holland, Hup!

 

6 Gedanken zu “Uli Hoeneß wird Weltmeister

  1. noch ist nicht aller tage abend! das letzte mal schien die gut geölte teutsche präzisionsmaschine auch unbesiegbar. und dennoch wurde sie in stalingrad aufgerieben! egal ob messi oder robben, einer muss den todesstoß setzen!

  2. Für den fragwürdigen Vergleich (im ersten Kommentar) auf Stalingrad-Niveau sind schon Politiker jeder Coleur zurück getreten … dann doch lieber einen spitzfedrigen und eigenwilligen Rainer B.

  3. Dem ist leider so. Man muss aus ökonomischer Sicht hinzufügen: Holland, Brasilien und Argentinien leiden darunter, dass ihre Spieler über viele ausländische Klubs verstreut sind und deshalb keine ausreichende gemeinsame Spielpraxis haben. In Europa können die kleineren Länder ökonomisch in der Champions League ohnehin nicht mehr mithalten – zu wenig Fernsehgelder etc. Und in Südamerika wandern die Stars eben auch in den reichsten Markt der Welt aus.

    Ansonsten tritt jetzt ein, was ich vermutet habe, als nach den ersten Spielen die Frage aufkam, warum jetzt weniger geflaggt ist. Weil die Deutschen Opportunisten sind, habe ich vermutet: 39 waren sie auch nicht für den Krieg, da hatten sie noch den Verdacht, es könnte so böse ausgehen wie 14/18. Aber als der Führer 1940 in Paris angekommen war, wollten sie alle dabeigewesen sein. Jetzt hatten sie die vielen verlorenen Halbfinals mit Klinsmann und Löw im Hinterkopf. Natürlich nimmt die Flaggendichte in meinem Kiez seit gestern massiv zu.

    Den gestrigen Abend habe ich übrigens in einer der wenigen Kneipen verbracht, die Business as usual betrieben (heißt: keine WM zeigten) und sich Fahnenterror streng verbieten: https://de-de.facebook.com/MaThilda.Berlin. Es war bizarr: Ein durchgeknallter Araber, der nebenan schaute, schrie immer wieder begeistert “Feuer” statt “Deutschland”.

    Und dann traten gegen Ende der Zweiten Halbzeit zweimal Doitschland-Fans in voller Montur vor die Kneipe und mussten unbedingt das sensationelle Ergebnis mitteilen. Sie wurden höflichst hinwegkomplimentiert. Nur als einige Huper schließlich den Stinkefinger sahen, hätte es fast Ärger gegeben. Wenn das nationale Kollektiv es verlangt, müssen halt alle mitmachen…

  4. Dass die Holländer keinen anständigen Wein und nur geschmackloses Treibhausgemüse haben ist nicht zu bestreiten. Aber immerhin darf man dort kiffen, und es es gibt eine anständige staatliche Grundrente. Von Fußball versteh ich nichts, doch die Deutschtümelei geht mir derzeit auch gewaltig auf den Keks. In diesem Sinne auch von mir: Hup Holland!

  5. Großartig. Ich würde sofort unterschreiben. Bezeichnend auch die Kommentare darunter.

    http://jungle-world.com/jungleblog/2833/

    Fernsehen nur für Deutsche. Offener Brief an ARD/ZDF

    von Ivo Bozic

    Offener Brief an
    Lutz Marmor (Vorsitzender ARD)
    Thomas Bellut (Intendant ZDF)
    den ARD-Rundfunkrat und den ZDF-Fernsehrat

    Berlin, den 7.7.2014

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF übertragen zurzeit die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien gemäß ihres Auftrages aus § 4 des Rundfunkstaatesvertrags zur Übertragung von Großereignissen.

    Hierbei fällt auf, dass Sie bei Fußballspielen, an denen die deutsche Nationalmannschaft beteiligt ist – und auch jenseits der eigentlichen Spielübertragung -, in drastischer Form einseitig sympathisierend und parteiisch berichten, nämlich immer zugunsten der deutschen Nationalmannschaft. Dies verstößt eindeutig gegen § 11(2) des Rundfunkstaatsvertrages, nachdem Sie zur „Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung“ sowie der „Meinungsvielfalt“ verpflichtet sind.

    In Deutschland leben 7,6 Millionen Menschen ohne deutschen Pass und weitere 9 Millionen Deutsche mit Migrationshintergrund. Auch sind längst nicht alle deutschen Staatsbürger automatisch Fans der deutschen Nationalmannschaft, wie Sie, aus welchem Grund auch immer, vorauszusetzen scheinen. Es sind ja auch nicht alle Bayern Fans des FC Bayern München. Auch die vielen Millionen, die bei der WM nicht der deutschen Mannschaft die Daumen drücken, zahlen Rundfunkgebühren. Mit welchem Recht wird diese Gruppe von Fernsehzuschauern völlig übergangen? Wer entscheidet, dass ARD und ZDF in Gänze immer zur deutschen Nationalmannschaft halten?

    Laut Rundfunkstaatsvertrag § 11(1), sollen ARD und ZDF auch „die internationale Verständigung“ fördern. Dies wird mit Sicherheit nicht dadurch bewerkstelligt, dass Sie bei der WM ungebremst deutschen Patriotismus und Nationalismus verbreiten, immer die deutsche Mannschaft unterstützen und damit automatisch auch das Ausscheiden der gegnerischen Mannschaft zum gemeinsamen, quasi gesellschaftlichen Ziel erklären – und zwar nicht nur durch die Spiel-Kommentatoren und Expertengespräche, sondern auch in den Nachrichtensendungen, bei An- und Abmoderationen politischer Magazine und sogar bei der Sendung mit der Maus.

    Dass die Mehrheit der Fernsehzuschauer in Deutschland womöglich (Hat das überhaupt schon mal jemand erhoben? Gibt es da Zahlen?) Fans der deutschen Mannschaft sind, kann kein Argument für Ihre vollkommen einseitige Berichterstattung und Kommentierung sein, denn dann müssten Sie bei der Bundesligaübertragung auch immer parteiisch für Bayern München sein, weil dieser Verein die meisten Mitglieder hat. Doch während Sie bei der Bundesligaberichterstattung Wert auf fußballerische Neutralität legen, tun Sie das bei Fußballweltmeisterschaften nicht, obwohl es dabei um genau denselben Sport geht. Nirgendwo im Rundfunkstaatsvertrag steht, dass es Ihr Auftrag ist, die deutsche und zudem die nichtdeutsche Bevölkerung zu deutschen Patrioten zu erziehen. Einen anderen Grund für Ihre hartnäckige Einseitigkeit kann ich aber nicht erkennen.

    Ich fordere Sie deshalb hiermit auf, Ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen, und im weiteren Verlauf der WM endlich objektiv zu berichten und auch den Minderheiten unter Ihren Zuschauern und somit auch dem Auftrag aus dem Rundfunkstaatsvertrag gerecht zu werden.

    Ivo Bozic, Journalist

    • Diesen Tenor in den verschiedenen Kommentaren im Sinne von dem an Herrn Bozik gegebenen Rat “Dann geh doch in Dein Heimatland….!” nennt man auch sekundären Rassismus. Mich wundert doch, dass sich das Stammtischpublikum bei der Jungle Word registrieren läßt. Vermutlich sprechen die sich ab?