Ich bin nicht Weltmeister

Eigentlich könnte es mir und dem Rest der Welt – von den unmittelbar Beteiligten und den Profiteuren mal abgesehen – herzlich egal sein, wer Fußball-Weltmeister wird. Unter diesem Gesichtspunkt wäre auch ein Sieg der deutschen Mannschaft -abgesehen von einer rein sportlichen Bewertung- nicht weiter erwähnenswert. Wenn da nicht dieser berüchtigte “German Furor” wäre. Denn da sich Deutschland nach einer 1945 international erzwungenen längeren Zwangspause erst allmählich wieder in der oberen Liga der Krieg führenden Staaten einreiht, sind Ersatzschauplätze hoch begehrt. Exportweltmeister waren wir zwar schon, doch das berührt besonders jene Menschen, die nichts davon haben, emotional eher wenig.

Bleibt also Fußball. Und natürlich war es mit dem finalen Rettungsschuss von Götze noch lange nicht vorbei. Denn “Wir sind Weltmeister” trompete bald der neue teutsche Titan Manuel Neuer. Da werden sich besonders die Alkis und Obdachlosen im Ottopark, die in den vergangenen Tagen auch des öfteren geflaggt hatten, doll gefreut haben, dass sie jetzt auch Weltmeister sind. Dazu Bastian Schweinsteiger, der nach dem Spiel aussah, als hätte er ein paar Sparrings-Runden mit den Klitschkos hinter sich. Der grüßte via TV seinen alten Kumpel, den asozialen Steuerverbrecher Uli Hoeneß mit den Worten: “Wir denken an Sie und glauben daran, dass alles gut wird und unterstützen Sie sehr.”

Auch in den “Qualitätsmedien” scheint man sich rostige Nägel ins Gehirn gebohrt zu haben. Gleich drei Zeitungsportale (faz, Kurier, Focus) und ein TV-Sender (n-tv) bezeichneten den Torschützen Götze als “Erlöser”. Doch den Vogel schoss diesmal die taz ab, in der allen Ernstes zu lesen war, dass Deutschland der Sieg gegen Argentinien zu gönnen sei, denn “gewonnen hat das Land mit der längeren demokratischen Tradition”. Da war dann wohl mehr als ein rostiger Nagel im Gehirn.

Ich bin jedenfalls nicht Weltmeister, sondern bestenfalls ein ganz brauchbarer Journalist. Aber dafür habe ich einen ganz guten Weingeschmack. Auch deswegen war mir das Spiel am Sonntag komplett egal. Denn was ist das Gekicke einiger Multimillionäre gegen einen Lemberger “Schwarzer Löwe” Großes Gewächs 2009 von Graf Adelmann. Ein Traum von Brombeere und Sauerkirsche, noble feine Kräuterwürze, leises, lächelndes Understatement und dabei nehezu buddhistisch in sich ruhend.

Morgen geht der Wahnsinn weiter. In Berlin wird die halbe Innenstadt gesperrt, damit die Kicker samt Polit-Prominenz schnell auf die “Fanmeile” kommen, um einer halben Million Menschen ihren Pokal zu zeigen. Ich hoffe ausnahmsweise auf Gewitter, Starkregen und orkanartige Böen inklusive Blitzeinschlag bei der taz.

3 Gedanken zu “Ich bin nicht Weltmeister

  1. Die taz ist schlimm – ein Grund, sie abzubestellen, wenn ich sie denn kostenpflichtig abonniert hätte. Aber der Leni-Riefenstahl-Preis geht diesmal eindeutig an Arno Widmann von der “Berliner Zeitung”: “Die Fußballweltmeisterschaft war wie ein Magnet, der in unsere Gesellschaft hineingelegt wurde. Wir reagierten wie Eisenspäne und ließen uns von ihm ausrichten. Wir haben die Macht der Gemeinschaft erfahren. Auch weil wir das Schöne, das Entlastende, das Befreiende daran erfahren haben.”