Die Party ist vorbei. WIR sind jetzt nicht mehr Weltmeister, sondern das Land, welches sich vom „Freund“ und „Partner“ USA am Nasenring vorführen lässt. WIR lassen zu, dass Millionen Kinder und Jugendliche sozial marginalisiert werden und wenig Bildungs- und Teilhabechancen haben. WIR sind ein Eldorado für Immobilienspekulanten , die mit Hilfe der Regierung dafür sorgen, dass Wohnen besonders in Großstädten und Ballungsräumen allmählich zum Luxusgut für Besserverdienende wird. WIR werden vielleicht in vier Jahren erneut Weltmeister, und bis dahin wird die Altersarmut bereits kräftig auf dem Vormarsch sein, da die Altersabsicherung für Geringverdiener hierzulande auf Hartz-IV-Niveau verharren soll. WIR sind eine Fiktion, es gibt uns nicht.
Erwähnt sei, dass sich schon wieder ein Held meiner Jugend abgemeldet hat. Nach Alvin Lee und Lou Reed musste nunmehr auch Johnny Winter dem Leben mit und für den Rock’n'Roll Tribut zollen. Immerhin war er bereits 70, als er am Mittwoch in einem Hotelzimmer in Zürich starb. Für einen langjährig heroinsüchtigen, seit langer Zeit schwer kranken, noch dazu erblindeten Mann ein anständiges Alter. Winter steht wie kaum ein anderer für die unglaubliche Kraft, aber auch für die redundanten Verirrungen, die die Bluesrock-Ära geprägt haben. Er war schnell, er war virtuos und er hatte vor allem Seele in seinem Spiel, jedenfalls meistens. Der spindeldürre Albino war einerseits genial und andererseits ein hässlicher Freak, dem wohl gar nichts anderes übrig blieb, als Rockstar zu werden. Als Gitarrist hat er mich sowohl inspiriert als auch deprimiert – weil er so gut war. Look at this!
Ansonsten haben wir (nicht WIR) jetzt Sommer, und das macht Spaß. Die ersten Tomaten im Garten werden rot, das Fahrrad trägt mich durch pralle sommerliche Landschaften, am späten Abend schmeckt trockener Weißwein so gut wie in keiner anderen Jahreszeit. Bald sind ein paar Tage Ostsee angesagt. Die kleinen Dinge helfen mitunter den großen Wahnsinn zu vergessen.