Keine Schokoladensauce! Aber gerne wieder mal Chablis

Was die Kombination von Wein und Speisen betrifft, wird mir – durchaus zu Recht – eine gewisse Kompetenz nachgesagt. So erbat neulich auch ein mir bekannter trotzkistischer Bürokrat um eine Weinempfehlung. Er sei bei einem hohen Funktionär zum Essen eingeladen und habe habe sich erboten, den Wein zum Hauptgang beizusteuern. Es werde dort „sehr gut gekocht“ und zwar „französisch“, hieß es weiter.

Nun finde ich es eigentlich immer sehr sympathisch, wenn „sehr gut“ und/oder „französisch“ gekocht wird. Den Weintipp wollte der Bürokrat allerdings für ein „Kaninchen in Schokoladensauce“.

Womit hat es dieses putzige Tierchen verdient, mit Schokoladensauce serviert zu werden?

Das hat mit gut kochen ungefähr so viel zu tun, wie eine trotzkistische Sekte mit einer Massenbewegung. Und in Frankreich kommt ein Koch vermutlich (zu Recht) ins Gefängnis, wenn er ein unschuldiges Kaninchen mit Schokoladensauce entwürdigt. Doch Trotzkisten haben anscheinend nicht nur partiell merkwürdige politische Analysen auf Lager, sondern auch absonderliche Essgewohnheiten.

Natürlich gab’s trotzdem eine Weinempfehlung von mir: Einen Dornfelder lieblich von einer möglichst schlechten Großkellerei. Gerne hätte ich noch gewusst, was es denn als Vor- und Nachspeise geben soll. Wahrscheinlich Hamsterpimmel in Aspik und Apfelkompott mit Sauce Hollandaise. Es bleibt dabei: Der Exotismus und das prinzipienlose Crossover-Gemansche sind Erzfeinde einer anständigen Genusskultur

Bleiben wir beim Wein. Neulich habe ich mich das erste Mal seit Jahren wieder getraut, einen Chablis zu trinken. Denn Chablis ist nicht nur, aber auch eine Geschichte von Winzern, die den Hals nicht voll kriegen können. Bis in die 1980er Jahre war Chablis nicht nur in Frankreich, sondern weltweit der Inbegriff für trockene, stahlige Weißweine mit kräftiger Säure, feiner kühler Frucht, leicht pfeffrigen Aromen und Anklängen an Feuerstein. Bei Austern, Fisch und Meeresfrüchten wurde nicht die Frage gestellt, ob man Chablis dazu trinkt, sondern welchen. Auch die Preise stimmten für die Winzer, denn die Weine waren relativ rar. In den steinigen, kalkigen Lagen im kühlen Norden des Burgunds rund um das Städtchen Chablis wurden vor 40 Jahren lediglich 500 Hektar bewirtschaftet. Heute sind es fast 5000 Hektar, wobei das Gros dieser neuen Flächen weder über die charakteristischen Böden, noch über die entsprechende Sonnenexposition für diese weltweit geschätzte, schlanke und trockene Spielart des Chardonnay verfügt. Masse statt Klasse wurde zur Devise, Chablis entwickelte sich allmählich zur geschmacklich belanglosen Ramschware bei Aldi&Co, und mit der Qualität und den Preisen ging auch der Ruf in den Keller. Zumal auch viele Winzer, die über offiziell zertifizierte Top-Lagen („Premier Cru“ und „Grand Cru“) verfügen, vom Pfad der Chablis-Tugend abwichen und sich an den in Übersee-Gebioeten wie Kalifornien, Chile und Südafrika gepflegten Chardonnay-Stil anhängen wollten. Also viel Alkohol, viel Holz, viel pralle Primärfrucht, weniger Säure. Wo so etwas mag, soll es trinken, doch mit Chablis hat das nichts zu tun.

Man muss also schon ein bisschen suchen, um Erzeuger zu finden, die sich des einstmals großen Namens würdig erweisen. Dazu gehört die Familie Michel, die auf über 160 Jahre Chablis-Tradition zurückblicken kann und über mehrere Grand Cru- und Premier Cru-Lagen verfügt. Wie z.B. „Forets“, mit alten Rebbeständen, geprägt von hartem Kalkstein, Toneinlagerungen und dünner steiniger Auflage.

Der Rest versteht sich fast von selbst: Ausschließliche Handlese, Vergärung mit natürlichen Hefen und lange (mindestens 12 Monate) Hefelagerung im Edelstahltank, denn , so Jean-Loup Michel: „Chablis ist nicht Meursault“. In dieser nahe gelegenen burgundischen Region wird zwar ebenfalls großartiger Chardonnay angebaut, der aber aufgrund der anderen Böden und der deutlich höheren Durchschnittstemperaturen eine ganz andere Charakteristik aufweist und mitunter auch ein wenig Holz vertragen kann.

Die Lagerfähigkeit von gutem Chablis ist legendär, entsprechend stimmig zeigt sich jetzt der 2009er, der erfreulicherweise noch erhältlich ist. Ein glasklarer Wein mit komplexer Struktur. Auf der einen Seite ein wenig Pfirsich und reife Zitronen, auf der anderen Kreide, Feuerstein und eine Spur Salz. Etwas wärmer im Glas kommen dann noch feine Mandel- und Haselnussaromen sowie ein wenig herbstliches Gras dazu. Alles sehr saftig und sehr lang anhaltend am Gaumen. Kurz gefasst: Ein Chablis wie er sein soll. Allerdings nicht ganz billig. Und noch was: Würde beim Trotzkisten-Gelage tatsächlich gut oder auch französisch gekocht, also z.B. das Kaninchen ordnungsgemäß in einer Estragon-Weißweinsauce zubereitet, dann wäre dieser Wein eine Spitzenempfehlung.

Den Chablis Premier Cru „Forets“ 2009 von der Domaine Louis Michel & Fils gibt es für 28,50 Euro bei der Weingrube

4 Gedanken zu “Keine Schokoladensauce! Aber gerne wieder mal Chablis

  1. Sehr geehrter Herr Großgastrosoph,
    um zunächst die Neugier zu befriedigen: als Vorspeise gibt es frische Artischocke mit einer Vinaigrette und als Nachtisch ganz schlicht ein selbst gemachtes italienisches Erdbeereis. Ein einfaches Mahl und französisch höchstens was die Artischocke angeht.
    Auch bei der Funktionärshöhe des Gastgebers hat Ihr Gewährsmann ganz maßlos übertrieben, es handelt sich um ein kleines Abendessen unter ehemaligen Kollegen und Freunden, dem sie Ihre Weinempfehlung da verweigern.
    Nun aber zu dem von ihnen so übel verunglimpften Hauptgang: Die Sauce besteht aus dem Kaninchenfond, Rotwein, einem Schuss Orangensaft und wird mit bitterem Kakaopulver abgeschmeckt. Ein Genuss, und die perfekte Ergänzung zu einem geschmorten Kaninchen!
    Probieren Sie es doch bei Gelegenheit einmal aus.
    Allerbeste Grüße
    Hanno Raußendorf

    • Werter Herr Raußendorf,

      vielen Dank für die Aufklärung, die angesichts der eher kryptischen Empfehlungsanfrage unseres gemeinsamen Freundes doch dringend Not tat. Ihre geplante Sauce macht bereits in Schriftform einen wirklich hevorragenden Eindruck und unterscheidet sich beträchtlich von einer “Schokoladensauce”. Gut so!
      Dazu fällt mir natürlich auch Wein ein. Erst vor kurzem habe ich eine ganz hervorragende katalanische Cuvée verkostet, den “Albet i Noya reserva Marti 2009″. Gibt es unter anderem bei Delinat (3 Tage Lieferzeit). Auch ein Amarone könnte sehr gut mit der Kakao-Nuance harmonieren.

      Nichts für ungut und keep on cooking.

  2. schöner blogbeitrag. nur ein kurzer hinweis: der link am ende führt zu einer fehlermeldung.