Prost, Adorno

Achtung VDP! Hier entsteht ein neues “Großes Gewächs”, der 2014er “Stolzenhagener Wildschweinkuhle”.

Es gibt Menschen, die den wohl berühmtesten Satz von Theodor W. Adorno („Es gibt kein richtiges Leben im falschen“) zwar kennen, aber vollkommen absurd interpretieren. Bei der poststalinistischen Komiker-Postille „Junge Welt“, für die ich 12 Jahre als Redakteur tätig war, musste ich mir den Spruch des Öfteren anhören, meistens verbunden mit Begriffen wie „kleinbürgerlich“ oder „dekadent.

Ich halte jetzt keinen Vortrag über Adornos „Minima Moralia“. Sondern ich freue mich, dass ich inmitten von Kriegen, alltäglicher sozialer Ausgrenzung und fortschreitender Abstumpfung der meisten Menschen die Ruhe und Muße finde, mich zeitweilig auszuklinken. Dazu brauche ich keine Fernreise, kein „Wellness-Wochenende“, keinen Abenteuer-Urlaub oder irgendwelche Events. Sondern nur mein Fahrrad und den Schlüssel zu meinem Wandlitzer Sommerlandsitz. Dort ist vor allem Ruhe – und Schönheit. Nein, keine spektakuläre Landschaft, sondern ein Feld hinter und der Wald vor dem Haus. Dazu mein leicht verwilderter aber sattgrüner Rasen, die ersten reifen Tomaten sowie eine richtig fette Gurke und ein paar Kohlrabi-Köpfe aus dem Beet. Selbst meine Rebstöcke, die in den vergangenen wenig Freude bereiteten, sehen diesmal großartig aus. Alles Früchte mitunter anstrengender, aber vollkommen unentfremdeter Arbeit. Und die geht weiter: Brokkoli und Blattsalat sind „durch“, dort wird dann eine späte Mangoldsorte gesät. Und wo was Anständiges wachsen soll, muss im Hochsommer auch ständig gegossen oder gar gewässert werden. Zur Erfrischung steht der nahe gelegene See oder auch die Gartendusche zur Verfügung. Abends fangen die Vögel an zu zwitschern, und auf der Terrasse werden ein paar Garnelen oder Fische gegrillt. Und dazu gibt es in der Regel einen anständigen Wein, diesmal war es der großartiger 2013er Weißburgunder von Stephan Steinmetz. Denn ich brauche auch keine teuren oder angesagten Weine, sondern gute.

Ich wünsche jedenfalls allen Menschen möglichst viele „ereignislose“ stressfreie Tage. Wohl wissend, dass unsere Gesellschaft so deformiert ist, dass das das für die Meisten der nackte Horror ist.

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