Es gibt Berufsgruppen, deren Angehörigen man partout nicht zutrauen mag, dass sie etwas Anständiges kochen können. Ganz oben auf dieser Liste stehen bei mir Gewerkschaftsfunktionäre. Denn wer sich auf Festivitäten, Kongressen und anderen Veranstaltungen der eigenen Organisation so barbarisch abspeisen lässt, wie das bei Gewerkschaften meistens der Fall ist, der kann keinen Sinn für Genusskultur haben.
Doch Ausnahmen bestätigen die Regel. Da gibt es in Berlin z.B. einen Gewerkschaftssekretär der IG BAU, der sogar einen eigenen Koch-Blog betreibt. „Vaters Delikatessen“ heißt die Seite, und da der mir im Rahmen meiner journalistischen Tätigkeit auch persönlich bekannt gewordene Kollege auf den Namen Hivzi Kalayci hört, kann man sich vorstellen, in welche Richtung das geht.
Aktuell wird gerade die Zubereitung von Linsenbouletten erklärt. Daran bin ich in der Vergangenheit des Öfteren gescheitert, weil die Masse einfach nicht vernünftig binden wollte Aber ein Bau-Gewerkschafter weiß wie man Zement anrührt, und dann kriegt er das natürlich auch mit den Linsenbouletten hin: Feine Hartweizengrütze ist die Lösung.
Sein Rezept ist jedenfalls amtlich. Ich habe lediglich auf Dill verzichtet (kann ich nicht ab) und dafür Koriander benutzt. Ansonsten 1 zu 1 nachgekocht. Schmeckt großartig!
Eigentlich will Kalayci auch immer einen Wein zu seinen Rezepten empfehlen. Hat er diesmal vergessen. Na da helfen wir doch gerne: Wie wär’s mir einem Kalecik Karasi (so heißt die Rebsorte) „Terra” 2011 aus der Provinz Denizli? Den habe ich vor einigen Monaten ausführlich bei Captain Cork besprochen. In der Nase feine Gewürz- und Blumennoten, besonders deutlich sind Jasmin und Wacholder. Am Gaumen milde Säure, sanfte Tannine, ein Hauch von Holz und mit der Zeit auch Spuren von roten Früchten und getrockneten Datteln. Passt jedenfalls hervorragend zu den Linsenbouletten.
Bleibt die Hoffnung, dass die Genussaffinität auch bei Bau-Gewerkschaftern weiter an Bedeutung gewinnt. Denn Genuss ist bekanntlich Notwehr, und das gilt auch für Tarifrunden und Gewerkschaftstage.
Lieber Rainer, ich bin erfreut und sehr angetan von deiner Formulierungen mit Witz und Charme. Das ist nunmal der Unterschied zwischen einem Schreibling und Gewerkschaftssekretär. Wir sind einfach im Regen unübertroffen. Danke für dein Tip für den ausgezeichneten Wein aus der Türkei. Ich komme von der Nähe aus Denizli und kenne die Herstellung und Kelterung dieser hervorragenden Weines. Bis vor 10 Jahren hätte ich mir nicht vorstellen können, das die Türken so ein Tröpfchen hinzaubern könnten. Danke und weiterhin erlesenen Genuss wünscht dir Hivzi Kalayci
Ich werde von dem Blog sofort das Gericht mit dem Namen “Der Imam fiel in Ohnmacht” (http://vaters-delikatessen.blogspot.de/2014/07/der-imam-fiel-in-ohnmacht-vegetarisch.html) ausprobieren. Erstens liebe ich Auberginen, zweitens ist der Name umwerfend !
Beste Grüße.
Schöner Artikel! Ich wundere mich allerdings, dass Du als bekanntermaßemn ambitionierter Hobbykoch bislang die Bindung bei Linsenbouletten nichjt hinbekommen hast. Und noch was: Ich bin auch “Gewerkschaftsfunktionär” (in BaWü). Und bei und gibts eigentlich immer anständiges Essen
Naja da gebe ich Rainer recht mit dem Essen haben es Gewerkschaftsfunktionäre nicht so ausser (auch in BaWü) Sie sind in 4-5 Sterne Hotels und lassen dann
das Essen munden, wenn es dann überhaupt dort schmeckt. Aber der Blog finde ich sehr interessant, kommt ja auch von einem Baufacharbeiter die verstehen was von gutem Imbiss.