Austern in Wandlitz: Wenn das der Genosse Honecker wüsste

Ein bisschen dekadent kam ich mir schon vor, als der Rasenmäher blockierte, weil sich ein Champagnerkorken im Schneidwerk verklemmt hatte. Und das auch noch ausgerechnet in Wandlitz, einem der symbolträchtigsten Orte der verblichenen sozialistischen DDR. Vom Genossen Erich Honecker, der in der nahe gelegenen Waldsiedlung residierte, weiß man ja, dass seine Genussansprüche eher bescheiden waren: Rotkäppchen reichte vollkommen.

Rotkäppchen reicht natürlich nicht, aber es muss auch nicht immer Champagner sein. Zumal auch der Verzehr einer 40-Euro-Boutteile mitunter recht enttäuschend sein kann. Besagter Klemm-Korken stammte jedenfalls von einem wenig gelungenes Champagner-Exemplar, das ich gemeinsam mit dem trotzkistischen Bürokraten, einem bürgerlich-liberalen Journalisten und einem publizistischen Gewerkschaftsknecht vertilgt hatte: Dumpf-mumpfiger Hefegeschmack, kaum Frucht, viel zu flache Säure.

Das wird einem bei den Schaumweinen von Stephan Steinmetz bestimmt nicht passieren. Für rund zehn Euro bekommt man bei diesem Moselwinzer so richtig spritzige, frische und fruchtige Sekte. Etwas schlanker und säurebetonter der Elbling Crémant brut, etwas fülliger und runder die Cuvée Liaison Crémant brut.

Wie ich darauf komme? An meinem Rasenmäh-Tag wollte ich mich nach getaner Fron – schon wieder dekadent – u.a. mit einem halben Dutzend Austern belohnen. Zu Austern habe ich wirklich alles probiert, was in der “gehobenen” Genießerszene propagiert wird, angefangen mit Chablis und Sancerre, aber auch Champagner, Entre-deux-mers und sogar Riesling. Klappt alles nicht so richtig. Am besten schmeckt zu Austern immer noch der gute alten Elbling, jene oft bespöttelte Rebsorte, die an der südlichen Mosel ein wenig beachtetes Nischendasein führt. Auch mit zwei fast noch exotischeren französischen Sorten ist man auf der sicheren Seite: Gros Plant und Picpoul de Penet.

In Ausnahmefällen darf man zu Austern auch Sekt trinken. Aber nur, wenn es Elbling-Sekt ist.

Ohne gleich der “Geiz-ist-geil-Fraktion” zugeordnet zu werden sollte man ruhig erwähnen, dass man diese drei genannten Weine in guter Qualität bereits für 5-7 Euro erstehen kann. Allerdings muss man ziemlich nach ihnen suchen

Dummerweise hatte ich in meinem Wandlitzer Keller aber nichts dergleichen mehr, vor allem keinen Elbling, was mir meines Wissens noch nie passiert ist. Vor lauter Schreck bestellte ich postwendend bei Steinmetz via Internet eine Kiste, aber solange konnten die Austern natürlich nicht warten. Also kam es zum großen Tabubruch. Denn eigentlich lehne ich den Verzehr kohlensäurehaltiger Getränke zum Essen strikt ab. Doch ehe ich mir den Austerngenuss mit einem unpassenden Wein versaue, machte ich eine Ausnahme: In die Kühlung wanderte eine Flasche Sekt und zwar der o.e Elbling crémant brut. Was für ein Knaller: Der (Meer)salzige und nussige Geschmack der Austern und der frisch-fruchtige Säurekick des Sektes harmonierten einfach großartig. Und selbst die Kohlensäure hatte irgendwie etwas Angenehmes. Fehlte eigentlich nur noch die Brise und das Rauschen der Wellen an der bretonischen Atlantikküste, aber der märkische Mischwald vor meinem Garten hat schließlich auch seine Reize. Den Elbling-Sekt von Steinmetz kenne ich schon lange und fand ihn auch schon immer großartig. Doch noch nie hat er mir so gut geschmeckt, wie an diesem Nachmittag.

Und so dämmerte ich mild gestimmt und beglückt dem phänomenalen Wandlitzer Sonnenuntergang entgegen, versöhnt mit den Maulwürfen und Schnecken, die permanent meinen Rasen und meine Beete attackieren. Den Korken habe ich diesmal übrigens nicht in die Gegend geschossen, sondern ordnungsgemäß entsorgt. Denn ein Totalschaden meines Rasenmähers würde mich eine Kiste Elbling-Sekt oder zwei Kisten Elbling-Wein kosten.

Den Wein und den Sekt kann man direkt ab Hof bestellen, ab 12 Flaschen frei Haus

Der Elbling 2013 kostet 5,20 Euro, der Elbling Crémant brut kostet 9 Euro

 

 

 

3 Gedanken zu “Austern in Wandlitz: Wenn das der Genosse Honecker wüsste

  1. …das erinnert mich an jemanden der mal gesagt hat, alles unter 10€ wäre Plörre…
    na ja, die große Fresse auf der einen Seite und die unverholene Kenntnislosigkeit auf der anderen Seite (Rotkäppchen? (ich bin ein wessi)), das passt schon auf eine Medaille.
    Die Datsche mit Blick auf den Mischwald, geerbt? Ganz schön dekadent in Wandlitz :-)
    Aber den Elbling kann ich mir so ganz ohne regelmäßiges Einkommen auch mal leisten. Danke dafür.

    • 1.)Also ich habe noch nie gesagt, alles unter zehn Euro wäre Plörre, im Gegenteil.
      2.) Nix Datsche geerbt. Schlicht gepachtet.
      3.) Viel Spaß mit dem Elbling

      • ähem räusper, Steinbrück hat das gesagt, ich dachte das wäre noch in Erinnerung… (die Ost-West_”Genossen”, sollte ein Witz sein… ) sorry!