Klaus Wowereit tritt ab. Na und?

Kaum kündigt der international bekannte Flughafenbaumeister Klaus Wowereit an, dass er seinen Job als Regierender Bürgermeister Berlins im Dezember an den Nagel hängen will, geht das Gegreine und die Lobhudelei los. Er sei “das Beste gewesen, was Berlin in dieser Phase passieren konnte”, war da zu lesen, oder auch, er habe “Berlin zu einer Metropole gemacht”. Und natürlich betonen alle, vom Unternehmerverband bis zu Gewerkschaften, von der CDU bis zu den LINKEN, dass er ihnen fehlen werde.

In der Tat hat sich “Wowi”, wie er in typisch Berliner Dumpfbackigkeit liebevoll genannt wurde, einen Platz in den Annalen der Hauptstadt gesichert, unter anderem durch sein öffentliches Outing beim Amtsantritt (“Ich bin schwul, und das ist gut so”) oder seine Charakterisierung der Stadt (“Berlin ist arm, aber sexy”). Ferner hat er das Trinken von Champagner aus roten Damenschuhen in die Berliner Partyszene eingeführt.

Das würde für einen Platz in der Ruhmeshalle natürlich nicht reichen. Doch Wowi hatte noch mehr zu bieten. Mit seinem Programm (“Sparen, bis es quietscht”) leitete er eine Welle der Deregulierung und Privatisierung sowie der Ausdünnung der sozialen Infrastruktur ein, wie sie die Hauptstadt seit 1945 noch nicht erlebt hatte.

 

Über 100.000 kommunale Wohnungen wurden an Investoren verscherbelt, die privaten Anteilseigner der Wasserwerke erhielten absurde Gewinngarantien, die Lernmittelfreiheit an den Schulen wurde abgeschafft, die marode Bankgesellschaft wurde mit Milliardenbürgschaften abgeschirmt, dem öffentlichen Dienst eine jahrelange Lohnsenkung abgepresst, um nur einiges zu nennen. Die Stadtbezirke wurden regelrecht ausgeblutet, die öffentliche Infrastruktur (Straßen, Schulen, Sport- und Freizeitanlagen) ließ man verkommen und zusammen mit seinem kongenialen Partner Harald Wolf (Die LINKE) machte er Berlin zur Hauptstadt der berüchtigten Ein-Euro-Jobs, mit denen Langzeiterwerbslose drangsaliert und gedemütigt wurden.

Vielleicht kommt der Damenschuh, aus dem Klaus Wowereit einst Champagner trank, jetzt ins Berlin-Museum

“Eure Armut kotzt uns an” war anscheinend das informelle Motto dieser Politik. Denn auf der anderen Seite entwickelte sich die Hauptstadt zum Anziehungspunkt für die Schönen und Reichen dieser Welt, sei es aus der Modebranche oder der Filmszene. Auch für das globale Hipster-Pack und die Partytouristen wurde Berlin zur angesagten Location, längst ist die alte Mitte rund um das Brandenburger Tor zur Dauer-Event-Meile verkommen. Es folgten die Immobilienspekulanten, die jetzt erfolgreich daran arbeiten, ärmere Teile der Bevölkerung aus der Innenstadt zu vertreiben. Stattdessen gibt es dort jetzt bis 12-15.000 Ferienwohnungen, die genauen Zahlen kennt niemand, da diesem Wildwuchs bislang wohlwollend zugeschaut wurde.

So gesehen hat Wowi Berlin tatsächlich zu einer Metropole entwickelt. Und man sollte auch nicht verschweigen, dass man in vielen Teilen der Innenstadt jetzt besser essen, trinken und einkaufen kann, als früher. Was gut wäre, wenn es nicht auf Kosten der ärmeren Menschen stattfinden würde, die sich das Leben in diesen Quartieren nicht mehr leisten können. Wowis größte politisch-strategische Leistung war allerdings die Demaskierung der LINKEN in Berlin. Diese führte er nicht nur als Koalitionspartner am Nasenring durch die Manege, sonderlich machte sie auch als erbärmlichen Haufen von postengeilen Opportunisten kenntlich.. Das hätte auf mittlere Sicht durchaus eine Blaupause für eine komplett asoziale “rot-rot-grüne” Bundesregierung mit Wowi als Kanzler abgeben können, doch die Berliner Wähler machten dem Spuk im September 2011 ein Ende. Wowi holte sich danach die CDU ins Boot, doch allmählich war der Lack ab. Als schließlich im Mai 2012 die Eröffnung des neuen Großflughafens in Schönefeld abgesagt werden musste, begann der jähe Abstieg des Partylöwen. Statt den Airport mit einem Schluck Champagner aus einem roten Damenschuh zu feiern, musste sich Wowi peinlichen Fragen nach seiner Verantwortung für das ökonomische und infrastrukturelle Desaster gefallen lassen, schließlich war er Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft. Das Milliardengrab am Rande der Hauptstadt wurde auch zur letzten Ruhestätte für Wowis politische Ambitionen. Seine Popularitätswerte rutschen seitdem ungebremst in den Keller, mittlerweile liegt ausgerechnet die CDU, die vor knapp 15 Jahren in einem unglaublichen Korruptionssumpf rund um die Bankgesellschaft quasi versunken war, in Umfragen wieder deutlich vor der SPD. Vorgezogene Neuwahlen wird es allerdings nicht geben, und so darf die Basis der SPD bald entscheiden, wer sein Nachfolger als Regierender Bürgermeister wird. Antreten werden mit Raed Saleh und Jan Stöss zwei ziemlich unsympathische Karrieristen mit Drittligaformat, nach den nächsten Wahlen im Herbst 2016 wird dann die CDU zusammen mit den Grünen das Ruder übernehmen, der Flughafen wird bis dahin voraussichtlich immer noch nicht in Betrieb sein.

Was Wowi dann machen wird, weiß ich nicht, und es ist auch egal. Politisch wird sich nur wenig ändern, denn Landesregierungen sind in erster Linie ohnehin nur ausführende Organe bestimmter Kapitalinteressen. Allerdings ist nicht damit zu rechnen, dass die kommenden Bürgermeister Champagner aus roten Damenschuhen trinken, jedenfalls nicht öffentlich. Ob das ein Fort- oder Rückschritt ist, vermag ich nicht zu beurteilen.

 

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