Wenn Wein und Genuss plötzlich unwichtig werden

Ich habe mich lange nicht mehr auf meinem Blog zu Wort gemeldet. Dabei hätte ich viel zu erzählen gehabt. Besonders über Wein. Ich war in Portugal und an der Mosel, habe sagenhafte Weine getrunken und spannende Winzer kennen gelernt. Und natürlich auch wieder viel gelernt. Sei es, dass es für bestimmte Weinstile sogar sinnvoll sein kann, die Reben auf Nordhängen anzupflanzen oder sei es, dass man die schwachsinnigen deutschen Prädikate Kabinett, Spätlese und Auslese ganz anders interpretieren kann, als von Gesetzgeber geplant.

Das alles und noch viel mehr hätte ich hier in lockerer Form erzählen können. So wie es meine Kollegen, mit denen ich in Portugal unterwegs war schon während der Reise und auch danach ständig taten und tun. Aber irgendwie ist mir zeitweilig die Lust daran vergangen. Ich stehe zu meinem Motto „Genuss ist Notwehr“, ich stehe dazu, dass man auch und gerade als linker Journalist über Wein und Essen schreibt, um dem pseudo-hedonistischen Wein- und Edelessen-Geschwätz etwas entgegen zu setzen.

Doch ich mag nicht flockig bis sarkastisch plaudern, wenn in einigen Ländern eine mit modernsten westlichen Waffen ausgestattete, vollkommen durchgeknallte Mörderbande namens IS nahezu unbehelligt ihren Terrorfeldzug durchziehen kann. Bei mir klemmt es auch in der Tastatur, wenn in Deutschland Flüchtlinge, die vor solchen und ähnlichen Zuständen geflohen sind, vom „Sicherheitspersonal“ ihrer Übergangswohnheime gequält und gedemütigt werden.

Das heißt nicht, dass ich den vergangenen Wochen nichts geschrieben habe, sei es zur Mietenpolitik, zu Flüchtlingen in Brandenburg, zur drohenden Welle von Altersarmut in Deutschland, zu den sozialen Folgen der Strompreisexplosion oder zum Streik der Lokführergewerkschaft. Das ist schließlich mein Beruf. Aber das mit dem Wein kam mir plötzlich ein bisschen lächerlich vor.

Das wird sich mit Sicherheit wieder ändern. Doch die Auszeit hat mir gut getan.

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